Sein Blick fesselt mich, so dass ich nicht wegsehen kann.
Aus einer eilig hergeholten Gießkanne schüttet er mir Wasser in die Hände, damit ich mir die verlaufene Schminke abwaschen kann. Zu dumm, dass ich nach dem Sturz losheulen musste. Er reicht mir ein Dreiecktuch aus dem Verbandkasten, damit ich mich abtrocknen kann.
Er drängelt nicht, gibt mir Zeit. Wieder kniet er vor mir. Mein Slip hat sicher schon einen dunklen Fleck. Ich kenne mich, wenn ich erregt bin, dann fließt es unaufhörlich aus mir heraus. Wohlbemerkt nicht immer zu meiner Freude. Wie jetzt, weil ich Angst habe, er könnte es in einem unvorsichtigen Moment sehen oder im schlimmsten Fall sogar riechen.
Er sieht mir in den Ausschnitt, das spüre ich. Es macht mir nichts aus. Im Gegenteil, zu wissen was er sieht, macht mich nur noch mehr an. Warum habe ich bloß diesen blöden BH angezogen. Ganz einfach, weil es sich so gehört. Ich muss das hier auflösen, sonst verfalle ich ihm augenblicklich restlos.
Ich gehe bewußt ganz dicht neben ihm. Erst hake ich mich bei ihm unter und nachdem ich ihm eine Träne weggewischt habe, nehme ich für den Rest des Weges seine Hand.
Am Grab bleibe ich dicht an seiner Seite. Gemeinsam, wie selbstverständlich, knie ich mich neben ihn. Vorsichtig und andächtig wischt er den Schmutz mit seinem Taschentuch von der Granitplatte. Dabei spricht er mit seiner Tina. Was er sagt, schnürt selbst mir den Hals zu. Er stellt mich tatsächlich seiner Frau vor. Erzählt ihr, wie ähnlich wir uns sind.
Mein Bedürfnis ihn anzufassen, wird mit jedem seiner Worte größer. Meine Hand liegt auf seinem Rücken und streichelt ihn vorsichtig. Anders kann ich ihn gerade nicht trösten.
Bei den Begleitungen, die ich mit anderen Patienten gemacht habe, war ein Gebet nicht nur gewünscht, sondern auch
überaus tröstlich. Er nickt zustimmend und wir einigen uns auf den Psalm 23, den ich noch vom Konfirmanden-unterricht kenne.
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