Sehen

abgeprallt im Amt

Luiz Goldberg

Es war ein regnerischer Dienstagmorgen,
als ich mit Anna in das Amt ging.
Wir hatten uns vor zwei Jahren kennengelernt,
bei einer Feier in der Firma,
wo sie als Buchhalterin arbeitete
und ich als Mechaniker.
Damals redeten wir stundenlang
über einfache Dinge,
wie das Reparieren von Autos
oder das Kochen von Pasta.
Es fühlte sich unkompliziert an.
Nun saßen wir hier,
in diesem stickigen Warteraum
mit Neonlichtern,
weil unser Leben kompliziert geworden war.
Ich hatte meinen Job verloren,
die Werkstatt schloss,
und Anna verdiente als Teilzeitkraft
gerade genug für die Miete.
Wir brauchten Hilfe,
irgendwas von der Stadt,
um über die Runden zu kommen.

Die Beamtin hinter dem Schalter
hieß Frau Berger,
stand auf ihrem Namensschild.
Sie hatte graue Haare,
streng zurückgebunden,
und trug eine Brille,
die sie ständig zurechtrückte.
Anna hielt meine Hand fest,
ihre Finger kalt vor Nervosität.
Wir hatten die Formulare ausgefüllt,
alle Belege beigelegt.
„Es wird schon klappen“,
flüsterte sie mir zu,
aber ihre Stimme zitterte leicht.

„Es wird schwierig“,
sagte Frau Berger schließlich,
nachdem sie unsere Papiere durchblättert hatte.
Sie blickte nicht mal auf,
tippte nur etwas in ihren Computer.
Anna und ich wechselten einen Blick.
Schwierig?
Wir hatten monatelang gespart,
um nicht hierherzukommen.

„Wir können da nichts machen“,
fuhr sie fort,
immer noch ohne uns anzusehen.
„Die Voraussetzungen passen nicht ganz.“
Anna drückte meine Hand fester.
Sie hatte mir gestern Abend noch gesagt,
dass sie das alles hasste,
diese Abhängigkeit,
aber wir mussten es versuchen.
Für uns.

„Es tut uns ja so leid –
aber Sie müssen verstehen“,
murmelte Frau Berger
und schob die Formulare zurück.
Ihr Ton war flach,
als lese sie von einem Zettel ab.
Anna lehnte sich vor.
„Verstehen?
Wir haben alles beigelegt, was Sie wollten.
Mein Partner hat gearbeitet,
bis die Firma pleiteging.
Was fehlt denn?“

Frau Berger seufzte.
„Kopf hoch.
Es könnte schlimmer kommen“,
raunte sie uns zu,
als wäre das ein Trost.
Ich spürte,
wie Annas Hand in meiner schwitzig wurde.
Sie hatte in den letzten Wochen kaum geschlafen,
rechnete ständig durch,
wie lange unser Geld reichte.
Ich wollte etwas sagen,
aber Anna war schneller.
„Schlimmer?
Wir können kaum die Rechnungen zahlen.
Das ist schon schlimm genug.“

„Dieses Jahr sieht es ganz schlecht aus“,
gab Frau Berger als Auskunft.
Sie klickte mit der Maus,
starrte auf den Bildschirm.
„Die Budgets sind knapp.“
Anna ließ meine Hand los
und strich sich über die Stirn.
Zu Hause hatten wir gestritten,
nicht laut,
aber hart.
Sie meinte, ich solle mehr Bewerbungen schreiben,
ich sagte, sie verstehe nicht,
wie der Markt war.
Aber hier saßen wir zusammen,
gegen das System.

„Sie haben mein ganzes Mitgefühl“,
barmte Frau Berger
und faltete die Hände.
Ihr Mitgefühl half uns nicht.
Anna schaute mich an,
ihre Augen traurig.
„Lass uns gehen“,
flüsterte sie.
Aber ich schüttelte den Kopf.
Wir brauchten das Geld.

„Andere haben es doch noch schlechter“,
tadelt sie plötzlich,
als wären wir undankbar.
Anna schnaubte leise.
„Schlechter?
Wir essen seit Wochen nur noch Brot und Suppe.
Ist das nicht schlecht genug?“
Ich erinnerte mich an unseren ersten Urlaub,
eine Woche am See,
wo wir lachten und plantschten.
Nun fühlte sich alles fern an.

„Alle Möglichkeiten sind schon ausgeschöpft“,
wiegelte Frau Berger ab
und schüttelte den Kopf.
„Nichts zu machen.“
Anna stand auf,
ihre Stimme bebte.
„Ausgeschöpft?
Wir haben noch nicht mal angefangen.
Das ist unfair.“

„Sie können daran auch nichts ändern“,
bedauerte sie
und reichte uns einen Flyer für eine Beratungsstelle.
Anna nahm ihn nicht.
Stattdessen drehte sie sich zu mir um.
„Komm, das bringt nichts.“
Aber ich blieb sitzen,
Wut stieg in mir auf.

„Ich solle doch Einsicht zeigen“,
forderte Frau Berger
und stand auf,
um den nächsten zu rufen.
Anna zog an meinem Arm.
„Lass es.
Wir finden einen anderen Weg.“
Draußen auf der Straße
regnete es stärker.
Sie lehnte sich an mich,
wir teilten einen Schirm.
„Tut mir leid“,
sagte sie.
„Ich weiß, du gibst dein Bestes.“

Zu Hause setzten wir uns in die Küche.
Ich kochte Tee,
sie starrte aus dem Fenster.
„Wir schaffen das zusammen“,
sagte ich.
Sie nickte,
aber ihre Augen waren müde.
Der Tag hatte uns nähergebracht,
trotz der Ablehnung.
Wir redeten stundenlang,
über Pläne,
Jobsuche,
wie wir sparen konnten.
Am Ende umarmte sie mich fest.
„Solange wir uns haben,
ist es okay.“
Und meine Faust,
die sich den ganzen Tag geballt hatte,
lockerte sich.
Nicht Dynamit,
nur wir zwei gegen den Rest.

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