Sehen
Achtung, er ist wieder unterwegs
Es war ein lauer Sommerabend
in der verschlafenen Kleinstadt am Rande des Harzes,
wo die Straßenlaternen ein warmes, gelbliches Licht
auf das Kopfsteinpflaster warfen
und der Duft von frisch gebackenem Brot
aus der Bäckerei gegenüber dem alten Marktplatz wehte.
Der Himmel hing tief, sternenklar,
mit einem Hauch von Mondschein,
der die Fassaden der Fachwerkhäuser
in silbernes Schimmer tauchte.
Vor dem gemütlichen Café „Zum Goldenen Löwen“,
dessen Terrasse mit roten Geranien in Töpfen geschmückt war
und wo das Summen von Insekten um die Laternen tanzte,
parkte ein schwarzer, glänzender Wagen –
fremd in dieser Idylle,
mit Staub aus fernen Straßen.
Drinnen roch es nach starkem Espresso,
Zimtgebäck
und dem leichten Rauch von Zigarren aus dem Nebenraum.
Die Holzdielen knarrten unter den Schritten,
und an den Wänden hingen vergilbte Fotos vergangener Feste.
Die Töchter der Mütter saßen an den runden Tischen,
umgeben von Lachen
und dem Klirren von Gläsern,
ihre Sommerkleider leicht und luftig,
die Haut noch warm vom Tag.
Lena, die Jüngste mit den lockigen Haaren,
die wie ein Wasserfall über ihre Schultern fielen,
bemerkte ihn zuerst.
Er trat ein,
sein Anzug makellos,
das Hemd offen am Kragen,
und ein Lächeln,
das die Luft zu verdicken schien.
Die Türglocke bimmelte leise,
als er sich setzte, nah bei ihr.
„Darf ich?“, fragte er mit tiefer, honigsüßer Stimme.
Sie nickte,
ihre Wangen glühten wie die Geranien draußen.
Er sprach von fernen Städten,
von Nächten in Wüsten unter endlosen Sternen,
von Geheimnissen, die in der Dunkelheit lauern.
Seine Worte klebten an ihr,
süß und einladend,
mischten sich mit dem Duft von Kaffee
und ihrer eigenen Erregung.
Bald lachte sie,
berührte seinen Arm,
spürte die Wärme seiner Haut.
Ihre Mutter, Frau Berger,
eine Witwe mit grauen Strähnen im Haar,
die hinter dem Tresen Gläser polierte,
sah es vom Schatten aus.
Der Tresen war alt,
mit Schnitzereien von Löwenköpfen,
und die Regale dahinter quollen über
von Flaschen mit goldenem Likör.
Sie warnte leise:
„Bleib weg von ihm, Kind.
Er ist wie Honig – klebt und lockt in die Falle.“
Aber Lena hörte nicht,
verlor sich in seinen Augen,
die dunkel waren wie der Wald jenseits der Stadt.
Später, als die Lichter im Café dimmten
und die Gäste gingen,
fuhr sie mit ihm davon.
Die Straßen waren leer,
nur das Rascheln der Blätter in den Lindenalleen
und das ferne Bellen eines Hundes.
Sein Zimmer in der kleinen Pension am Waldrand
roch nach frischem Leinen und Moschus.
Die Wände waren tapeziert mit Blumenmuster,
das Bett groß und einladend,
mit schweren Vorhängen,
die das Mondlicht filterten.
Er zog sie aus, langsam,
seine Finger glitten über ihre Brüste,
den Bauch, tiefer.
Sie keuchte,
als er sie fesselte –
mit einem Seil aus seiner Tasche,
das sich weich, aber fest um ihre Handgelenke schloss
und sie ans Kopfteil band.
„Vertrau mir“, flüsterte er,
sein Atem heiß an ihrem Hals.
Sie tat es,
ihr Körper bebte vor Erwartung.
Er schlug zu, einmal, zweimal –
die flache Hand auf ihre Wange,
der Knall hallte im Raum wider,
mischte sich mit dem Ticken der alten Uhr auf dem Nachttisch.
Der Schmerz explodierte, süß und scharf,
und sofort wurde sie feucht,
ihre Schenkel glitten auseinander,
als sein Finger prüfte.
„Sieh dich an“, murmelte er,
drang ein, hart und rhythmisch,
sein Körper schwer auf ihr.
Sie schrie leise in die Kissen,
kam in Wellen,
die sie durchfluteten wie der Wind durch die offenen Fenster.
Am Morgen war er weg,
nur der Duft von ihm hing noch in der Luft,
und Lena lag da,
gezeichnet von roten Abdrücken auf der Wange
und blauen Flecken an den Handgelenken,
aber mit einem Grinsen,
das die Sonne einfing,
die durch die Vorhänge sickerte.
Frau Berger fand sie,
weinte in der Pension,
deren Flur nach Lavendel roch.
Doch abends saß sie selbst im Café,
die Geranien welkten leicht in der Hitze,
und wartete.
Der Fremde kam zurück,
parkte wieder vor der Tür,
lächelte sie an.
„Darf ich?“, fragte er.
Sie nickte,
ihre Hand zitterte leicht am Glas.
Die Warnung hallte durch die Stadt,
von Haus zu Haus,
wo Mütter Türen verriegelten
und Töchter flüsterten:
Mütter, Töchter – alle fielen.
Sein Charme war die Falle,
süß und klebrig wie Honig in der Sommerluft.
Die Kleinstadt schlief unruhig,
der Wald flüsterte,
und er suchte weiter,
immer neue Opfer in der lauen Nacht.