Sehen

an einem Nachmittag an einem Sonntag im August

Charles Haiku

Der Augustsonntag hängt
wie ein feuchter Lappen über der Stadt,
und der Fluss riecht
nach Algen,
Sonnenmilch
und dem billigen Bier der Ausflügler.

Wir sitzen am Ufer,
die Beine im Wasser,
das so lauwarm ist
wie abgestandener Tee.

Neben mir hat sie die Schuhe ausgezogen,
die Zehen rot lackiert,
und lässt sie träufeln,
als wollte sie das Wasser provozieren.

Ihr Rock ist hochgerutscht,
weit genug,
dass ich den Ansatz ihres Schenkels sehe,
die Stelle,
wo die Haut noch nie richtig Sonne abbekommen hat,
blass und weich
wie frisch gewaschene Bettwäsche.

Der Dampfer gegenüber spuckt seine Ladung aus.
Rentner in Hawaiihemden,
Kinder mit Eis am Stiel,
Pärchen, die sich schon jetzt streiten,
weil er zu viel fotografiert
und sie zu wenig Aufmerksamkeit kriegt.

Alle quellen heraus
wie aus einem überfüllten Kondom,
laut,
bunt,
verschwitzt.

Ich sehe ihnen zu
und denke:
Gleich werden sie alle nach Hause gehen,
Fernseher an,
Sonntagabendtatort,
während wir noch hier sitzen,
als gäbe es kein Morgen,
kein Montag,
keine Chefs,
keine Rechnungen.

Sie lehnt sich an meine Schulter.
Ihr Haar riecht
nach Kokos
und einem Hauch von Schweiß,
genau die Mischung,
die mich seit Jahren verrückt macht.

Ihre Hand liegt auf meinem Oberschenkel,
ganz harmlos,
als würde sie nur die Wärme prüfen.

Aber ich kenne diese Hand.
Ich weiß,
wie sie später zupacken wird,
wenn die Laternen angehen
und der Park sich langsam leert.
Wenn die letzten Spaziergänger mit ihren Hunden verschwinden
und nur noch das Plätschern des Wassers
und das ferne Rauschen der Stadt übrig bleibt.

Die Sonne verschwindet hinter den Bäumen,
und das Licht wird milchig.

Ihre Finger wandern höher,
ganz langsam,
als wäre es Zufall.

Ich spüre,
wie sich alles in mir zusammenzieht,
diese süße, dumme Vorfreude,
die man mit siebzehn hatte
und mit vierzig eigentlich nicht mehr haben sollte.

Sie lacht leise,
weil sie es merkt.
Natürlich merkt sie es.
Sie merkt immer alles.

„Noch nicht“,
sagt sie
und beißt mir ins Ohrläppchen,
gerade fest genug,
dass es zieht.
„Erst wenn es richtig dunkel ist.“

Der Dampfer ist weg.
Die Ausflügler sind weg.

Nur wir sitzen noch da,
König und Königin eines leeren Parks,
und warten darauf,
dass die Nacht uns endlich erlöst.

Später wird sie sich hinknien,
zwischen meine Beine,
das Kleid bis zur Taille hochgeschoben,
und mir einen blasen,
als wäre es das Normalste der Welt.

Als wäre das hier nicht ein öffentlicher Park,
sondern unser Wohnzimmer.

Als wäre das Leben nicht kompliziert,
sondern genau so einfach:
ein warmer Mund,
ein letzter Sonnenstrahl auf dem Wasser
und das Wissen,
dass wir gleich nach Hause gehen,
duschen,
ins Bett fallen
und morgen so tun,
als wäre nichts gewesen.

Aber heute ist Sonntag im August,
und alles ist erlaubt.

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