Sehen

Aus den Predigten des Stadtstreichers E. aus G. – Dritte Predigt

Ferdinand Freiherr von der Ferne

Wieder von einem Sonntag, 3. Dezember

Warum nur,
geht es von einem Tag auf den anderen
so anders zu sich?
Warum nur,
kann ein schönes Glücksgefühl
eine Nacht nicht überstehen?
Unbeständig wie das Wetter –,
alles ist wie es ist.

Ich sag euch:
Allerweltsphilosophien
bis an den Rand des Banalen.
In eine Form kriechen,
am liebsten – es wollen –,
um nichts mehr zu wollen.
Nichts zu sehen,
nichts zu hören,
nichts zu sprechen.
Diese Drei-Affen-Weisheit
von einem Affenhirn aus.

Wozu noch Spaß,
in einer Welt, die ihn vorschreibt?
Schöne, gebräunte, schlanke Körper
tanzen den Angesagt-Hip-Hop.
Bis zum Erbrechen gut gelaunt
bei Fit-For-Fun.

Wozu nicht noch ein wenig vordrehen,
den Zeitgeist?
Ein kleines Stück nur,
um zu sehen,
ob es noch weitergeht, hä? –,
so weitergeht!
Ob es lohnt,
ob der Spaß größer wird.
Der Welt Krisenherde!
Denkt dran!
Hey, der Tag kommt,
da wird kräftig auf die Spaßbremse gedrückt –,
scheiß drauf – lust for life!
Heute!

Es hat einmal Zeiten gegeben...,
ach wozu?
Nach vorn schauen,
nur nach vorn!
Immer nur Sonntags
überkommt das Sonntagsgefühl.
Hey, ihr Sonntagsmenschen,
Sonntagskinder,
Sonntagsfahrer:
Heute keine Dreitagebärte mehr,
das war gestern.
Heutzutage sind beinahe schon wieder
kräftige Schenkel bei Frauen schön.

Wozu aber quält es so sehr,
das Zurückschauen?
Und das soll doch nicht.
Wozu also,
kommt es überhaupt dazu –,
zu diesem fatalem Zurückschauen?
Das ewige Früher-war-alles-besser?
Hier und jetzt ist Heute modern,
carpe diem
und morgen ein Tag!
Sexfrühstück mit Champus
und der Tag gehört abgehakt.
Auf ein Neues.
Mehr Spaß bei noch mehr Späßen!
Ewiges Nur-Interesse an Außerordentlichkeiten!
Menschen, oh ja,
aber bitte in Extremsituationen!
Alles andere wäre von gestern.

Vieviel Milliarden Menschen?
Überbevölkert?
Nichts ist wie es bleibt und wird,
verdammt!
Trennung,
Trennung vom Wesentlichen und Unwesentlichen.
Dienstlich oder privat.
Mc Donalds oder Burger King.
Ein Liebeszauber ist ein Desaster!
Wenn daran geglaubt wird.
Investitionen in ausgedehnten Zärtlichkeiten –
oder war’s ein anderes Gefühl? –,
sind zeitraubend, was?
und wollen wohlüberlegt sein.

Egomania,
Paranoia –,
dazwischen, davor oder hinterher:
der Überdruß –
Ennui –
kennt ihr das Wort?
Ennui im Großen!
In Wirklichkeit aber,
ist alles abgekartet.
Kein Spiel.
Spiele spielen ist aber wichtig,
beziegungsweise den Spielen zuschauen –,
im satten Zustand, versteht sich.

Ernst sein,
natürlich, natürlich,
meine Herrschaften und Weibschaften!
Es ist wichtig dabei –,
ernst sein dabei!
Sie sind schließlich nicht zum Spaß da,
die Spiele!
Die wichtigen!
Welche?
Welche Spiele?
Liebesspiele?
Oh nein!
Champions League,
Formel eins,
Wimbledon – usw.
Wichtig, sehr wichtig!
Das sind Spiele!
Wichtige Spiele!

Wen interessiert dagegen,
was im weißen Haus beschlossen wird,
oder im Kreml –,
geschweige denn,
was der heilige Vater sagt.
Der heilige Vater...
Oh heiliger...
Der versagt,
der versagt uns doch jeden Spaß!

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