Sehen
chemische Apotheken-Hochzeit
Die Apotheke stinkt nach Chemie und toten Träumen,
Regale voll mit bunten Lügen,
Dragees in Blisterpackungen, wie Perlen für die Verdammten.
Ich greif zu, die Finger kalt,
blaue für die Lust, die wie ein Blitz einschlägt,
rote fürs Herz, das stolpert wie ein betrunkener Clown,
und die verbotenen, die im Schatten flüstern,
„Nimm uns, wir machen dich groß, wir machen dich klar.“
Illegal, klar, aber was ist schon legal,
wenn die Seele in Fetzen hängt?
Die Welt schreit: Alter ist Scheiße,
Schönheit ein Muss, ein glänzender Zwang,
Chemie der Feind, böse, giftig,
„Lass die Natur, friss Gras, lieb zart“,
und ich steh da, im Spagat,
die Sehnen gespannt, zwischen Wollen und Sollen,
zwischen dem, was ich bin, und dem, was ich sein darf.
Die blauen Pillen funkeln,
versprechen Nächte, in denen die Haut brennt,
die roten halten das Herz am Schnaufen,
die verbotenen bauen Türme im Kopf,
wo das Ego sich sonnt, strahlt, lacht.
Und doch, ein Kratzen im Magen,
ein schlechtes Gewissen, wie Zigarettenqualm,
weil ich die Chemie wähle,
weil ich die Lügen schlucke,
weil ich nicht barfuß im Gras lauf,
sondern in der Gosse tanze,
mit einem Grinsen, das nach Whiskey schmeckt.
Aber – ha! – es gibt Pillen gegen das Nagen,
sanfte, die den Kopf in Watte packen,
die das Gewissen einschläfern,
wie ein Kind, das zu viel geweint hat.
Dank der Industrie, diesen kalten Göttern,
die uns füttern mit bunten Kapseln,
und ein Nicken zum Dealer,
dem Fuchs mit dem Goldzahn,
der in der Gasse wartet,
mit einem Blick, der sagt: „Du kennst das Spiel.“
Die Stadt draußen pulsiert,
Regen klatscht auf den Asphalt,
wie Tränen, die niemand sieht.
Die Pillen klappern in der Tasche,
ein leises Lied von Flucht und Feuer.
Ich schluck sie, und die Welt wird weich,
die Kanten verschwimmen,
die Lust ein Funke, der Herzschlag ein Takt,
das Ego ein Ballon, der schwebt,
bis er platzt.
Aber was bleibt?
Ein Loch, das größer wird,
ein Hunger, den keine Pille stillt.
Die Stimmen der Welt, sie dröhnen weiter,
„Alt, hässlich, falsch!“,
und ich tanze trotzdem,
auf dem Seil, das reißt,
mit Schritten, die stolpern,
aber nicht stoppen.
Die Chemie trägt mich, für ’ne Nacht,
für ’nen Moment,
dann fällt sie in sich zusammen,
wie Asche im Wind.
Und ich? Ich geh zurück,
in die Apotheke,
wo die Blonde mit der Brille steht,
die nichts fragt, nichts weiß,
nur die bunten Lügen reicht.
Der Spagat bleibt,
zwischen dem Wollen, dem Sollen, dem Dürfen,
ein Tanz ohne Musik,
ein Grinsen ohne Grund.
Die Pillen funkeln,
der Regen fällt,
die Gasse ruft.
Und ich lauf weiter,
mit dem Gewissen im Gepäck,
das schläft,
in seinem blauen, chemischen Traum.