Sehen
Deine Blicke, dein Fleisch
Wenn ich könnte und die Gelegenheit hätte,
wenn mich nicht Nebensächlichkeiten ablenkten
und angeblich wichtigere Dinge daran hinderten,
würde ich lange in deinen Augen lesen.
Ich würde mich neben dich legen,
wir beide am Strand oder im Bett,
jedenfalls würde ich dir tief in die Augen blicken
und versuchen, deine Seele zu erkennen.
Ich würde dort bestimmt vieles finden,
da bin ich mir so sicher, wie man es nur sein kann:
Neugier, Freude, auch ein wenig Angst,
vor dem Mann, der das Verborgene erforscht.
Was ich aber vor allem zu finden hoffte,
wäre Freude und Zuneigung, man könnte auch sagen Liebe,
jedenfalls all die wunderschönen Gefühle,
die ein Blick offenbart, der die Seele widerspiegelt.
Du schaust mich direkt an,
mit ganz großen Augen,
völlig frontal und ohne Scheu.
Allein das ist etwas Ungewöhnliches,
aber der eigentliche Grund
meiner Aufregung und Unsicherheit,
ist die Art, wie du mich anschaust.
Ich fühle mich wie ein Waisenknabe,
der zum ersten Mal von einem Mädchen
mit erotische Leidenschaft geküsst wird
und der nicht weiß, wie ihm geschieht.
Genau so fühle ich mich bei diesem Blick,
dem nichts und niemand widerstehen kann,
der auffordert, vereinnahmt und etwas verspricht,
das man sich weder als Knabe noch als gestandener Mann
entgehen lassen darf: das große Geheimnis der Liebe.
Dein Fleisch ist natürlich rot,
wie jeder weiß, der ein Steak isst,
es ist deine Haut, die weiß ist,
aber sie umgibt das weiche Fleisch.
Deine Bilder machen mich süchtig,
dieses zarte Fleisch zu fühlen und
diese weiße Haut zu streicheln,
besonders die Stellen deines Körpers,
die nicht ohne Grund verbotenes Terrain sind,
die kunst- und schamvoll bedeckt werden,
aber die Phantasie entfernt die Hand
und entblößt auch diesen intimen Ort.
Ich frage mich manchmal, warum du nicht
den letzten Schritt gehst und mir deinen Körper
ganz ohne Hüllen zeigst, nur für mich
und meine ausufernde, erotische Phantasie.