Sehen
Déjà-vu im Bett
Ich sehe sie zum ersten Mal nackt vor mir stehen,
das Licht der Nachttischlampe malt goldene Streifen über ihre Brüste,
und trotzdem ist alles vertraut.
Als hätte ich genau diese Szene schon tausendmal stattgefunden,
nur dass ich sie jedes Mal wieder vergesse,
bis der Vorhang erneut aufgeht.
Sie kniet sich aufs Bett,
dreht sich um,
streckt mir ihren Hintern entgegen
wie eine Einladung,
die ich schon vor Jahrhunderten angenommen habe.
Ich brauche keine Wegbeschreibung.
Meine Hände wissen genau, wo sie hinmüssen,
wie sie die Backen auseinanderziehen,
als hätten sie das schon in einem anderen Leben,
in einem anderen Jahrhundert getan.
Vielleicht in einem Pariser Hotel 1923,
vielleicht in einer strohgedeckten Hütte irgendwo im Mittelalter.
Egal.
Mein Daumen findet ihre Rosette,
als wäre sie ein alteingespielter Code.
Sie stöhnt leise,
dieses tiefe, rauchige Geräusch,
das mir durch Mark und Bein geht,
und ich weiß,
ich habe dieses Stöhnen schon gehört.
Vor langer Zeit.
Vielleicht als ich ein römischer Legionär war
und sie eine gallische Sklavin.
Oder als sie eine Kurtisane in Venedig war
und ich ein bankrotter Dichter,
der sich mit Gedichten bezahlen ließ,
die niemand verstand.
Ich dringe langsam in sie ein,
und es fühlt sich an wie nach Hause kommen.
Nicht in dieses billige Hotelzimmer mit den fleckigen Vorhängen,
sondern nach Hause in etwas Größeres.
Ihr Analkanal umschließt mich so perfekt,
als wäre mein Schwanz extra für diesen einen Eingang geschaffen worden,
über Inkarnationen hinweg feinjustiert
wie ein Schweizer Uhrwerk.
„Du warst schon mal in mir“,
flüstert sie, ohne sich umzudrehen,
die Wange ins Kissen gedrückt.
„Ich weiß“, antworte ich
und stoße tiefer.
Wir bewegen uns,
als hätten wir jahrelang geprobt.
Jeder Stoß sitzt, jeder Winkel stimmt,
ihre Prostata – nein,
meine Finger finden später ihre Klitoris durch die dünne Wand hindurch,
als wüsste mein Körper noch genau,
wie man eine Frau von innen zum Explodieren bringt.
Sie kommt zuerst,
mit diesem erstickten Schrei,
den ich schon kenne, seit es Schreie gibt.
Dann dreht sie sich um,
schiebt mich auf den Rücken,
setzt sich rittlings auf mich.
Ihre Augen.
Verdammt, diese Augen.
Sie schaut mich an,
als würde sie durch mich hindurch
in all die Männer blicken, die ich vorher war.
Und dann senkt sie sich auf mich herab,
nimmt mich wieder in ihren Arsch,
diesmal von oben, langsam, quälend langsam.
„Erinnerst du dich an Kairo?“, fragt sie leise.
„1921“, sage ich, ohne nachzudenken.
„Du warst Tänzerin. Ich habe dich mit Opium bezahlt.“
Sie lacht,
dieses Lachen, das durch Jahrhunderte hallt,
und beginnt zu reiten.
Schneller. Härter.
Ihre Brüste wippen im Takt,
den die Zeit selbst vorgibt.
Ich komme,
als hätte ich jahrhundertelang darauf gewartet.
Sie kommt mit mir, gemeinsam,
als wären wir ein einziges Wesen,
das sich gerade selbst wiedererkennt.
Danach liegen wir da, verschwitzt, schwer atmend.
Sie zeichnet mit dem Finger Kreise auf meiner Brust.
„Nächstes Leben“, sagt sie,
„machen wir es in einem Kornfeld. Unter Sternschnuppen.“
„Abgemacht“, murmle ich
und weiß, dass wir uns daran halten werden.
Denn manche Liebe ist älter als wir selbst.
Manche Déjà-vus sind einfach nur Erinnerungen,
die zu faul sind, sich richtig anzumelden.
Und ihr Arsch?
Der gehört mir.
Seit Anbeginn der Zeit.