Sehen

Die Dämonen im Spiegel

Luiz Goldberg

Sie wohnen nicht hinter dem Glas,
sie wohnen in mir.

Jeden Morgen, wenn ich pinkeln gehe,
stehen sie schon bereit.
Drei, vier, manchmal fünf Gestalten,
nackt wie ich,
mit meinem Gesicht, meinem Bauch,
meinem schlaffen Glied,
das in der Kälte schrumpft wie ein erschrockener Regenwurm.

Sie grinsen.
Immer.
Dieses breite, wissende Grinsen,
das sagt:
Wir kennen dich besser als du dich selbst.

Ich versuche sie zu ignorieren.
Zähneputzen, Rasieren, das übliche Programm.
Aber sie machen mit.

Wenn ich die Zahnbürste in den Mund schiebe,
schieben sie sich etwas ganz anderes rein
und schauen mir dabei direkt in die Augen.

Wenn ich mich einseife,
wichsen sie sich synchron, langsam, genüsslich,
als wäre das die normalste Sache der Welt.

Ihre Schwänze stehen,
wo meiner sich noch versteckt.
Ihre Eier hängen prall und schwer,
meine wirken daneben wie zwei verschrumpelte Rosinen.

„Feigling“, flüstern sie ohne Ton, nur mit den Lippen.
„Du könntest das auch haben.
Dieses Ziehen tief im Unterleib.
Dieses Brennen, das sich anfühlt wie Erlösung.“

Ich weiß, wovon sie reden.
Ich habe es einmal probiert.
Allein. Nachts.
Mit viel Alkohol und noch mehr Scham.

Ein Finger. Nur einer.
Und dann der zweite.

Der Moment, als ich die Prostata fand –
dieses harte, geheime Knöpfchen, das niemand je berühren darf –
war wie ein Blitz aus purem Licht.

Mein Schwanz explodierte,
ohne dass ich ihn auch nur angefasst hätte.
Der Samen schoss in hohen Bögen, traf fast die Decke.

Ich heulte danach.
Vor Lust und vor Abscheu zugleich.

Seitdem sind sie da.
Die Spiegeldämonen.

Sie wollen mehr.
Sie wollen, dass ich mich endlich ergebe.

Dass ich aufhöre, den harten Hetero zu spielen,
der nur in Frauenlöcher eindringt
und dabei heimlich davon träumt, selbst genommen zu werden.

Sie zeigen mir Bilder:
Wie ich auf dem Bauch liege,
das Gesicht im Kissen vergraben,
während ein anderer Mann – einer, der aussieht wie ich, nur mutiger –
langsam in mich eindringt.

Wie ich stöhne.
Wie ich bettle.
Wie ich komme, ohne dass mich jemand vorne anfasst.

Ich könnte sie zum Schweigen bringen.
Ein für alle Mal.
Es wäre so einfach.
Nur ein Schritt nach vorne.
Durch den Spiegel.
In ihre Welt.

Dort gibt es keine Scham.
Dort darf man alles.
Dort ist das Arschloch kein Tabu, sondern ein Tor.
Dort ist Lust kein Verbrechen, sondern Gebet.

Manchmal, wenn meine Freundin neben mir schläft,
stehe ich auf und gehe ins Bad.
Schließe ab.
Stelle mich vor den Spiegel.
Nackt.

Die Dämonen warten schon.
Sie winken. Lächelnd. Einladend.
Ihre Schwänze tropfen vor Erwartung.

Ich hebe die Hand. Langsam.
Berühre das Glas.
Es ist kalt.
Und doch spüre ich ihre Wärme dahinter.
Ihre Gier. Ihre Liebe.

Eines Tages werde ich durchtreten.
Werde ihnen die Hand schütteln.
Werde mich umdrehen, die Backen spreizen
und sagen:
„Na los, zeigt mir, wie es geht.“

Und wenn du dann irgendwann nachts aufwachst,
weil du Stimmen hörst,
und ins Bad gehst, um nachzusehen –
dann schau genau hin.

In den Spiegel.

Ich werde dir fröhlich zuwinken.
Von der anderen Seite.

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