Sehen
die Euphorie nach dem Gedankenblitz
Er kommt ganz leise,
fast schüchtern,
während man durch die Straßen läuft
oder am Küchentisch sitzt
und plötzlich an etwas denkt,
das man bisher nie laut ausgesprochen hat.
Ein Gedanke, der sich erst nur als Frage tarnt:
„Und wenn ich das einfach mal ausprobieren würde?“
Kein Donnerwetter, kein Porno-Soundtrack,
nur ein sanftes Kribbeln
irgendwo zwischen Neugier und Erleichterung.
Dann bleibt er hängen.
Wie ein Sonnenstrahl,
der durch das Rollo fällt
und genau auf die Stelle trifft,
die man jahrelang im Schatten gelassen hat.
Man merkt, wie er wärmer wird,
wie er sich ausbreitet,
vom Bauch ins Brustbein,
weiter in die Schultern.
Die Muskeln lockern sich,
als hätten sie nur auf diesen Moment gewartet.
Plötzlich ist alles leichter.
Die Luft riecht intensiver,
die Farben sind satter,
selbst das graue Novemberlicht
sieht aus wie frisch gewaschen.
Man spürt ihn im ganzen Körper:
diesen kleinen, verborgenen Muskel,
der sich bisher immer angespannt hat,
wenn das Thema fiel.
Jetzt entspannt er sich,
öffnet sich ein Stück,
und mit ihm öffnet sich etwas Größeres.
Eine Tür, von der man gar nicht wusste,
dass sie überhaupt existiert.
Keine Scham mehr,
kein „Das macht man nicht“,
kein „Was denken die anderen?“.
Nur noch ein klares, ruhiges Ja
zu sich selbst.
Die Welt bleibt dieselbe,
und doch ist sie komplett anders.
Als hätte jemand die Lautstärke des Lebens hochgedreht,
aber nur die schönen Töne.
Man lächelt ohne Grund,
geht aufrechter,
atmet tiefer.
Es ist kein Rausch, der einen überrollt,
sondern eine sanfte Welle,
die einen trägt.
Ein inneres Leuchten,
das von ganz allein kommt.
Und man versteht:
Das hier war schon immer möglich.
Man musste nur aufhören,
sich selbst im Weg zu stehen.
Der Körper wusste es längst.
Jetzt weiß es auch der Kopf.
Was für ein Geschenk,
dieses leise, helle Glück.
Ganz ohne Rezept,
ganz ohne Scham,
ganz ohne Erklärung.
Nur man selbst,
endlich angekommen bei sich.