Sehen
Die Rückkehr der DIVA
Sie hatte ihn verlassen,
weil er beim Sex immer noch „Schatz“ sagte,
während er in sie eindrang,
als würde er eine Steuererklärung ausfüllen:
pflichtbewusst, aber ohne jeden Elan.
Weil er ihre Klitoris behandelte
wie einen Lichtschalter,
den man nur einmal kurz antippt
und dann wartet, ob irgendwo im Haus was passiert.
Weil er nach dem Orgasmus sofort einschlief
und sie dalag mit dem Gefühl,
gerade von einem sehr höflichen Einbrecher besucht worden zu sein.
Also packte sie ihren Koffer,
schrieb „Ich hasse dich nicht, ich langweile mich nur zu Tode“
auf einen Post-it
und klebte ihn an den Kühlschrank,
direkt neben das Foto vom letzten Mallorca-Urlaub,
auf dem er stolz seinen Bierbauch präsentierte.
Sechs Wochen später
stand sie wieder vor der Tür.
Mit demselben Koffer.
Und mit einem neuen Problem.
In der Fremde hatte sie nämlich festgestellt:
Die anderen Männer waren nicht besser.
Einer leckte sie,
als hätte er eine Wette verloren.
Ein zweiter wollte unbedingt „Dirty Talk“,
konnte aber nur Sätze wie
„Du geile Sau, mach die Beine breit“
und klang dabei wie ein Vertreter für Staubsaugerbeutel.
Der Dritte war ein echter Kandidat gewesen
(gutaussehend, witzig, Zunge wie ein Staubwedel auf Speed),
aber nach dem dritten Mal fragte er,
ob sie nicht mal „was Analartiges“ ausprobieren wollten.
Sie sagte nein.
Er sagte: „Schade, das ist bei mir so ’ne Art Signature Move.“
Da wusste sie:
Zurück zum Scheißkerl.
Der hatte wenigstens keine Signature Moves.
Der hatte höchstens einen Standard-Drehtür-Koitus
und danach immer frische Brötchen am Sonntag.
Also klingelte sie.
Er öffnete in Boxershorts
und mit diesem Gesicht,
das Männer machen,
wenn sie nicht wissen,
ob sie jetzt heulen oder hart werden sollen.
Beides gleichzeitig ging offenbar nicht.
„Ich hab noch einen Koffer bei dir“,
sagte sie
und schob sich an ihm vorbei.
Er schloss die Tür.
Schloss ab.
Drehte sich um.
Sah sie an.
Sah den Koffer.
Sah wieder sie.
„Und jetzt?“, fragte er.
„Jetzt vögelst du mich endlich mal so,
als wär ich nicht deine Steuerberaterin“,
sagte sie,
ließ den Mantel fallen
und trug darunter genau das rote Negligé,
das er ihr vor drei Jahren geschenkt hatte
mit den Worten:
„Vielleicht irgendwann, wenn wir mal Zeit haben.“
Er hatte jetzt Zeit.
Sie landeten im Flur.
Gegen die Wand.
Ohne „Schatz“.
Ohne Lichtschalter-Klitoris.
Er hob sie hoch wie jemand,
der gerade gemerkt hat,
dass er doch Kraft hat, wenn es drauf ankommt.
Sie biss ihm in die Schulter,
weil sie seit sechs Wochen niemanden mehr gebissen hatte.
Er stöhnte,
weil er seit sechs Wochen niemanden mehr drin gehabt hatte.
Später, im Bett,
rauchte sie eine seiner Zigaretten
(die er eigentlich aufgegeben hatte)
und sagte:
„Ich bleib, aber unter einer Bedingung.“
„Welche?“
„Du lernst, wo die Klitoris wirklich sitzt.
Und wenn du das nächste Mal kommst,
sagst du nicht ‚entschuldigung‘,
nur weil du zwei Minuten früher dran bist als ich.“
Er nickte.
Ernst.
Fast feierlich.
Am nächsten Morgen stand er um sieben auf,
ging in die Küche
und kam mit frischen Brötchen zurück.
Und mit einem Ausdruck in den Augen,
der sagte:
Ich hab die ganze Nacht geübt. Im Kopf.
Sie lächelte.
Nahm ein Brötchen.
Und die Butter.
Manche Trennungen sind eben nur Generalproben
für den richtigen Wiedereinstieg.
Mit mehr Schmackes.
Und endlich ohne „Schatz“.