Sehen

diesem flachen Gott gewidmet

Charles Haiku

Ein kleines Zimmer in der Seitenstraße,
vier Wände, die beben,
ein entfernter Bass wummert von unten,
ein kalter, stumpfer Rhythmus,
der sich in die Nacht schiebt.
Draußen der Regen,
ein kalt-nebliger Vorhang, der fällt,
ewig, ohne Pause,
Wassertropfen wie Glasmurmeln
auf dem kalten Pflaster.
Drinnen vor dem Plasma-Monitor,
diesem flachen Gott,
sitze ich seit Stunden,
Augen gefesselt an Zahlen,
an Codes, die tanzen,
Symbole, die fließen,
wie ein Strom, der nie endet.
„Echt toll“, sage ich leise,
als das Summen beginnt,
ein leises Rattern der Maschine,
das in meinen Knochen vibriert.
Die Schale Ramen,
billiger Fraß aus dem China-Laden von nebenan,
kalt, die Nudeln ein Klumpen,
liegt neben mir,
vergessen,
farbige Lichter spiegeln sich,
flimmern in der abgestandenen Brühe,
als wäre die Suppe ein Himmel,
ein digitaler Himmel,
der mich ansieht.
Meine Augen brennen,
werden eckig,
wie der Bildschirm,
wie die Welt,
die sich in Pixel auflöst.
Grün, blau, rot, gelb flimmert es,
in meinem Kopf,
ein Puls, der nicht mein eigener ist,
ein Takt, der mich treibt.
Nacht.
Ich stehe auf,
schlurfe mit meinen Füßen
zum Fenster,
wo der Nebel die Straßenlaternen
zu schwachen Sternen macht.
unscharfe Passanten hasten,
Schatten ohne Gesicht,
und der Regen singt weiter,
ein Lied ohne Melodie.
Im Fenster mein Spiegelbild,
fremd,
Augen bunt und eckig,
wie die des Monitors,
wie etwas, das nicht ich bin.
Ich starre,
und die Scheibe starrt zurück,
kalt, durchsichtig,
doch undurchdringlich.
Gefangen,
zwischen Glas und Licht,
zwischen Regen und Code,
fühle ich den Bildschirm,
wie er mich hält,
wie er mich sieht,
wie er mich formt.
Die Nacht ist ein Summen,
die Welt ein Flimmern,
und ich,
ich bin ein Schatten,
der sich im monotonen Farbenflash verliert.
Der Regen fällt weiter,
die Wände beben,
und irgendwo,
tief im Techno-Keller,
dröhnt ein Lied in Endlosschleife,
dass ich nicht höre.

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