Sehen

ein endgültiges Resümee

Charles Haiku

Der durchschnittliche Hetero-Mann
vögelt in seinem Leben schätzungsweise 4000–6000 Mal.

Mit Freundin, Ehefrau, Affären,
One-Night-Stands, Nutten,
der Kollegin im Kopiererraum –
alles dabei.

Rechnen wir großzügig:
sagen wir 5000 Mal
hat er seinen Schwanz irgendwo reingesteckt,
gestoßen, gekommen, abgerollt, gute Nacht.

Und jetzt die brutale Wahrheit:
Von diesen 5000 Ficks
bleiben ihm vielleicht drei bis fünf wirklich im Kopf.

Der Rest ist austauschbares Rauschen,
wie Radiowerbung beim Autofahren.

Erinnern wird er sich an:

- Den ersten Analversuch mit seiner großen Liebe,
als sie nach langem Bitten endlich „Ja, aber ganz langsam“ sagte –
und es dann doch so geil wurde,
dass beide hinterher zitterten wie nach einem Unfall.

Die Nacht, in der sie ihn überraschend mit dem Finger nahm,
während sie ihn blies,
und er dachte, sein Schädel explodiert vor Lust
und danach drei Tage lang nicht wusste,
ob er jetzt schwul ist
oder einfach nur ein Idiot war,
der jahrelang auf den besten Orgasmus seines Lebens verzichtet hat.

Den Quickie im Fahrstuhl,
weil sie beide besoffen waren
und es keine fünf Stockwerke mehr ausgehalten hätten.

Und vielleicht noch den letzten Fick vor der Trennung,
als beide wussten, es ist vorbei,
und deshalb alles reinknallten, was ging –
Hass, Liebe, Abschied, alles auf einmal.

Der ganze Rest?
Weg. Vergessen.

4995 Mal Haut an Haut,
Stöhnen, Schweiß,
„War’s schön?“ – „Ja, war schön“ –
und am nächsten Tag weiß er nicht mal mehr,
wie sie hieß
oder ob sie überhaupt einen BH anhatte.

5000 Mal nackt, 5000 Mal gekommen –
und am Ende bleiben fünf Momente,
die sich wie glühende Nägel ins Hirn gebrannt haben.

Fünf Mal, wo er wirklich gelebt hat,
statt nur abzuspritzen.

Das ist doch erbärmlich.

Wir sammeln Körper wie andere Leute Kilometer beim Joggen
und merken am Ende:
Die meisten Strecken waren langweilig,
der Puls kaum hoch, die Aussicht Scheiße.

Nur ein paar wenige Male
standen wir oben auf dem Berg
und haben gedacht:
Verdammt, genau dafür lohnt sich das alles.

Also, liebe Männer:
Hört auf, Sex wie Brot zu essen –
täglich, weil man muss.

Fangt an, ihn wie Champagner zu trinken –
selten, aber dann richtig.

Oder bleibt bei eurem 08/15-Gestoße
und erzählt euch weiter,
dass „normal“ schon reicht.

Euer Hirn wird euch eh nur die paar krassen Nächte lassen.
Der Rest landet im Papierkorb der Erinnerung –
zusammen mit dem Namen der Frau,
die euch 2017 im Urlaub so toll geblasen hat.

Ihr wisst schon, diese… äh…
wie hieß die noch gleich?

Genau.

Zugriffe gesamt: 1