Sehen

Ein neuer Morgen

Charles Haiku

Ich spür' den Duft von dir noch tief im Kissen nahn,
er birgt die Essenz unsrer Nacht, so wild und rein.
Mit meiner Nas' erhasch' ich jedes Molekül,
das aufsteigt aus der Lust, die wir geteilt zu zwein.
Dein Schrei der Ekstase, er hallt im Stoff noch nach,
und lässt mich lächeln, wenn der Morgen graut so früh.
Doch leider bist du fort, wie stets nach solchem Rausch,
ich teil' dich mit dem Mann, der dich als Seine sieht.
Du schwörst, ihr seid nur Geschwister, kühl und fern,
kein Feuer lodert mehr in eurem Ehebett.
Doch lass uns ehrlich sein, das ist nur sanfte List,
eine zärtliche Ausred', um das Herz zu schonen.
Vielleicht ist's besser so, in diesem Zwielicht-Spiel,
unsre Liebe bleibt frisch, aufregend, ungezähmt.
Nichts wär' so schlimm, als würd' ich dein Gatte sein,
und dann dein Bruder nur, du suchst die Lust woanders.
So bin ich dein Liebhaber, hab' dich halb und doch,
im Paradox der Liebe, ganz und ungeteilt.
Ein Hauch von Eifersucht, er würzt das süße Gift,
nichts ist so dröge wie die Sicherheit der Huld.
Die grenzenlose Verfügbarkeit erstickt den Glanz,
drum, wenn ich's recht bedenk', ist's gut, wie's ist geblieben.
Heut' Abend geh' ich aus, such' mir 'ne kleine Flamme,
eine Kecke, die dein Gegenteil in allem ist.
Nicht zärtlich sanft wie du, mit weichem, warmem Sinn,
sondern 'ne kleine Raubkatze, wild und ungestüm.
Sie kratzt mir Striemen in die Haut mit scharfen Krallen,
ein Zeichen ihrer Glut, das brennt wie Feuerzorn.
Auf die du eifersüchtig schaust, mit fragendem Blick,
und mich befragst, woher die Male stammen mögen.
Ich saug' mir Lügen aus den Fingern, flüst're Ausreden,
verberge das Geheimnis in 'nem Schleier aus Worten.
In meiner Phantasie, da treffen wir zu dritt,
im Bett vereint, ein Wirbel aus Verlangen und Traum.
Du findest das unfair, doch ich sag' nur: Gleichheit,
für alle dasselbe Recht, in diesem Spiel der Herzen.
So webt sich unsre Welt aus Glut und Schatten fein,
mit Eifersucht als Würze, die das Band erneuert.
Die Nacht wird kommen, voll von neuen, wilden Spielen,
wo Paradoxe tanzen, halb und ganz vereint.
Im Zwielicht unsrer Liebe bleibt das Feuer hell,
und nichts erlischt im Strom der ungezähmten Zeit.

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