Sehen
Ein seltsames Ereignis in einer Herberge
Er war stundenlang
in einer einsamen Gegend gewandert.
Als er gegen Abend
eine kleine Herberge erreichte,
war er glücklich.
Er könnte hier essen und schlafen
und am nächsten Morgen
seinen Weg mit neuen Kräften fortsetzen.
Doch leider informierte ein Zettel an der Tür,
dass das Haus für eine Woche geschlossen sei.
Er war enttäuscht.
Was sollte er tun?
Wo sollte er die Nacht verbringen?
Dann bemerkte er,
dass ein Fenster halb offen stand.
Ohne zu zögern stieg er ein,
fand in der Küche etwas zu essen
und auch ein Bett,
in dem er rasch einschlief.
Mitten in der Nacht erwachte er
und sah im spärlichen Mondlicht
eine Gestalt,
eine junge Frau in einem weißen Kleid,
die in der Tür seines Zimmers stand.
Er erschrak,
wollte schreien,
aber sie gab ihm deutlich zu verstehen,
dass er ruhig sein solle.
Dann streifte sie das Kleid ab,
kam völlig nackt auf ihn zu,
umarmte ihn
und ehe er richtig begreifen konnte,
was ihm geschah,
lag sie bei ihm im Bett
und sie liebten sich mit großer Inbrunst.
Kaum waren sie fertig,
schlief er ein
und als er aufwachte,
stand die Sonne hoch am Himmel
und er war allein.
Er glaubte,
dass ihn ein intensiver Traum genarrt hatte,
aber da lag nicht nur ein weißes Kleid
auf dem Fußboden,
auf dem Bettlaken hatte sich ein roter Fleck gebildet.
Es war also kein Traum,
die Frau war bei ihm gewesen
und hatte ihn geliebt.
Er konnte sie noch immer spüren,
ihr Duft hing im Laken,
das Blut war noch feucht.
Er stand auf
und durchsuchte das Haus,
aber es war leer
und es gab keine weiteren Anzeichen,
dass kürzlich jemand hier zu Gange gewesen war.
Er war irritiert.
Einem ersten Impuls folgend,
wollte er das Haus rasch verlassen,
aber etwas hielt ihn zurück,
die vage Hoffnung,
diese seltsame Erscheinung könne noch einmal kommen
und ihm noch einmal das bieten,
was ihn in der letzten Nacht so sehr erregt hatte,
die brennende Sehnsucht einer Jungfrau.
Und so blieb er voller Angst
und wartete voller Hoffnung,
malte sich aus,
wie sie vor ihm stehen,
ihr Kleid abstreifen,
wieder auf ihn zukommen würde
und er ihrem Zauber erneut verfiele,
aber der Schlaf war stärker
und er verlor sich im nebeligen Nirwana
zwischen banaler Realität
und heftigen Träumen,
die ihn heimsuchten,
aber es ging nicht um die Liebe eines unschuldigen Mädchens,
es waren quälende Alpträume,
Kämpfe gegen unheimliche Wesen.
Als er am nächsten Morgen
schweißgebadet aufwachte
und sich die Verkrampfung löste,
hatte sich zu seinem Entsetzen
auf dem Laken ein zweiter roter Fleck gebildet.