Sehen
Er ist sich nicht sicher
Er schaut von unten auf ihr schweißrotes Gesicht.
Sie ist schön, ja.
Das ja, sagt er sich,
aber ihren Charakter kann er nicht so recht deuten.
Ihre Augen stechen ihn schmerzhaft in seine Augen.
Ihr dunkelrotgeschminkter Mund öffnet sich zu einem Lächeln
zu einem Lächeln, das er ebenso wenig deuten kann
Er ist erschöpft wie sie.
Ihr schwerer tiefer Atem riecht nach feuchter Erde
Kann sowas sein?
Ihr Gesicht beugt sich noch näher zu seinem herunter
Ja, feuchte Erde!
Sie spricht nicht mehr
Sie schaut ihn nur an mit ihren grünen Katzenaugen die ihn so stechen
Ihre Zunge kommt jetzt langsam aus ihrem Mund hervor
erst nur die Spitze,
aber gleich wird die Zunge länger,
berührt fast seine Lippen
Er liegt weiter unbeweglich unter ihr
noch wie gelähmt von dem, was zuvor gewesen
Seine Gedanken – auch wie gelähmt –
können noch keine Denkprozesse zuwege bringen
Doch jetzt, wo ihre feuchte Zungenspitze seine Oberlippe leicht berührt
kommt in seinem Hirn etwas in Gang:
Ist es das, was mich gereizt hat an ihr?
Ihre Skrupellosigkeit auf diesem sexuellen Gebiet?
Auf diesem speziellen?
Ja, sicher war es genau das!
Aber er ist gerade auf diesem Gebiet nicht nur ein ungeübter Anfänger
Nein, ihn zog es seiner Natur nach gar nicht nach diesem Gebiet
Es war allein ihre Dominanz die sie über ihn ausübte
die ihn schließlich doch hierherbrachte – auf dieses Gebiet
Und so ergab er sich in ihre starken Arme
und tat was sie ihm auferlegte
und ließ geschehen, was sie an ihm tat
Ihre Befriedigung war gänzlich –
deutlich zu spüren und zu sehen
seine, befindet sich in einer Art Werden
seine Bewußtwerdung über sein Tatendrang
seine Entscheidung zur Initiative – bis hin zum aktiven Tun
setzt ihm zu
Ist es das, was er wollte,
was auch ihm Befriedigung geben sollte?
Seine Augenbrauen ziehen sich zusammen
als er gedanklich einen Schritt weiter geht
und auf das gerade Geschehene zurückblickt:
Seine rosa Zunge hatte an ihrer Ferse geleckt
und seine Augen – die schauten auf zu ihr
bis sich der erwartungsvolle Blick wieder senkte...
Da war er niemandes Kind mehr
Sehnte nur Härte, um weich zu fallen
In ihre strengen Arme.
Die alles durften
an ihm, mit ihm –;
wie ihr triebbeseelter Mutwille
den sie ihm schenkte,
und der so weit ging
bis sich seine schönen Augen vor Schmerz verdrehten
Seine gepreßten Tränen, die herausquollen
leckte sie zum Ende zärtlich von seinem Gesicht
und flüsterte ihm süße Worte ein
von angekommen…
löste dann seine Fesseln
und kam mit ihm zusammen
zum erlösenden Anfang des nächsten Endes.