Sehen
Fiebertanz
Der Schwindel begann 
mit einem Pulsieren in den Schläfen. 
Hitze kroch durch die Adern, 
als ob Flüssigkeit brodelte, 
ein Feuer, 
das von einer unsichtbaren Hand entzündet wurde. 
Der Raum drehte sich, 
Wände verschoben sich zu einem Kreis aus Schatten, 
als wollten sie die Welt 
auf das Wesentliche reduzieren: 
zwei Hände, 
die sich suchten. 
Ein Rhythmus pochte, 
fordernd, 
doch zart, 
wie ein Herzschlag, 
der nicht nur dem eigenen Körper gehörte.
Die Bewegungen starteten langsam, 
tastend. 
Finger verschränkten sich, 
ein sanftes Ziehen, 
ein Nachgeben. 
Jeder Schritt war ein Versprechen, 
ein Tanz, 
der sich aus dem Nichts formte, 
getragen von einer Hand, die führte, 
und einer, die folgte. 
Die Haut brannte unter der Berührung, 
verätzte Schichten von Zweifel, 
von Distanz. 
Der Durst wuchs, 
ein Hohlraum im Inneren, 
der nach Nähe schrie, 
nach dem Gefühl von Haut, 
die sich aneinander schmiegte. 
Flüssigkeit rann ein, 
bitter wie Sehnsucht, 
vergiftet von vergangenen Wunden, 
doch löste sie Barrieren auf, 
ließ die Seele nackt zurück.
Der Tanz wurde wilder, 
ein Wirbel aus Gliedern, 
die sich umeinander wanden. 
Schritte stampften in den Boden, 
hinterließen Abdrücke, 
die pulsierten wie Erinnerungen 
an gemeinsame Nächte. 
Die Hand, die führte, 
war fest, 
doch nicht fordernd, 
ein Anker in der Ekstase. 
Visionen flackerten: 
Momente des Lachens, 
des Streits, 
des Schweigens, 
mal nah, mal fern, 
wie Schatten, 
die über eine Wand tanzten. 
Der Wahnsinn der Liebe breitete sich aus, 
verzerrte die Sicht zu Fragmenten 
von Glück und Schmerz, 
untrennbar verflochten.
Fieber stieg, 
ein Glühen, das alles verschluckte. 
Die Finger, die sich hielten, 
wurden zum Zentrum, 
ein Pakt gegen die Leere. 
Jede Drehung war ein Bekenntnis, 
jedes Zögern ein Eingeständnis von Verletzlichkeit. 
Der Tanz umkreiste, 
engte ein, 
bis nur noch der Takt blieb, 
ein Gleichklang zweier Herzen. 
Der Tod lauerte in jedem Schritt, 
nicht als Ende, 
sondern als Allegorie für die Hingabe, 
die alles riskierte. 
Ohne diesen Tanz – 
Leere, 
ein langsames Verlöschen, 
ein Leben ohne die Hand, 
die wärmte.
Der Rhythmus hielt an, 
fraß sich fest. 
Die Schatten verschmolzen, 
die Körper ergaben sich, 
Hand in Hand, 
ein Kreislauf ohne Ausweg. 
Stille folgte, 
doch der Puls hallte nach, 
ein Echo in der Dunkelheit, 
ein Versprechen, 
dass der Tanz nie enden würde, 
solange die Finger sich fanden.
 
