Sehen

Fingerzeig Gottes?

Ferdinand Freiherr von der Ferne

Ich kam gerade aus einer Bank heraus,  
bei der ich in Eile Geld abgehoben habe  
und wollte die Straße überqueren,  
um wieder in mein Auto zu steigen.  
Meine Eile ist so ein persönliches Ding.  
Ich eile mich allzu oft völlig nutzlos –  
wenn es auch langsamer abgehen kann,  
neige ich stets dazu,  
alles schnell zu machen,  
flott,  
zügig –  
in aller Eile eben.  
Ob das meiner Natur entspricht,  
oder ob es sich irgendwie so ergeben hat,  
ich weiß es nicht.  

Also, ich noch vor der Bank  
am Straßenrand.  
Ob ich das Geld noch in der Hand hielt,  
weiß ich nicht.  
Ich weiß nur,  
dass ich in Gedanken gewesen sein musste,  
tief in Gedanken.  
Denn da war zwischen Gehsteig  
und der Bordsteinkante zur Straße,  
noch ein schmaler Streifen  
mit einem Bewuchs von Blumen und Grünpflanzen.  
Ich hatte es wohl auch noch eilig,  
denn ich machte mit einem Satz  
einen Schritt über dieses Pflanzenbeet,  
und mit einem zweiten Satz  
und einem zweiten schnellen Schritt  
wollte ich den Antritt über die Straße starten.  

Die obligatorische, zeitgleiche Blickrichtung  
nach links, auf die Fahrbahn,  
war intuitiv schon vorgesehen  
und auch schon in Aktion getreten.  
Doch dieser zweite Satz im schnellen Schritt  
zur Fahrbahn hin,  
war meinem Blick nach links zuvorgekommen,  
so dass es einen Moment gab –  
den eines Sekundenbruchteils –,  
bei dem ich um diesen Sekundenbruchteil  
zu spät war,  
um definitiv von einem Lieferwagen überfahren zu werden,  
der mit hoher Geschwindigkeit  
dicht an mir vorbeisauste.  

Das Gefühl,  
das mich direkt nach diesem Moment packte,  
war schockierend.  
Das Bewusstsein,  
dem Tod davongekommen zu sein,  
war absolut.  
Da gab es kein Eventuell.  
Noch nie war ich dem Tod so nahe gewesen.  
Was war das?  
Ein Zufall?  
Eine Bestimmung?  
Ein Fingerzeig Gottes?  
Gibt es dieses Phänomen,  
was man Schicksal nennt,  
oder ist es doch eher so,  
dass – ja, dass passiert, was passiert –,  
ganz profan betrachtet,  
und es ist nichts als reiner Zufall?  
Hat unser persönliches Schicksal  
was mit Zufall zu tun?  
Oder ist doch alles Vorbestimmung?  
Was mit Karma?  
Was sagt die Chaostheorie?  

Ich habe keine Antworten.  
Ich habe vielmehr Fragen –  
unbeantwortete Fragen.  
Dem Leben gegenüber.  

Dieses Erlebnis liegt schon viele Jahre zurück,  
und doch muss ich immer wieder daran denken.  
Mein Zugang zur Spiritualität  
hat sich seither um einiges erweitert.

Zugriffe gesamt: 7