Sehen
Freundschaft? – Aufzeichnungen eines Naiven
Einstweilen blassrotes Papier.
Nur kein weißes.
Weißes ist zu profan,
zu gewöhnlich
für das, was ich vorhabe zu schreiben.
Vor allem mit Hinblick darauf,
WEM ich zu schreiben gedenke!
Ja, ihr,
die mich hat hängen lassen,
die eine so langjährige Freundschaft
einfach gelöst hat.
Mit mir.
Der das nichts auszumachen scheint.
Die sich keinen Schnipsel Gedanken
darüber macht,
was mir das bedeutet,
was das mit mir macht!
Offenbar habe ich schon seit Jahren
etwas vernachlässigt:
die realitätsbezogene Sicht
auf unsere Freundschaft.
Oder muß ich sagen
„sogenannte Freundschaft“?
War nicht schon lange lange
keine Freundschaft mehr vorhanden,
von ihr aus gesehen?
Und von mir aus gesehen
habe ich immer in der festen Überzeugung gestanden,
unsere Freundschaft ist felsenfest.
War wohl doch nicht so.
Aber warum hat sie keine konkreten Anzeichen gezeigt?
Warum hat sie mich glauben lassen, daß…
Das muss ihr doch klar gewesen sein,
daß ich…
Ich fasse es nicht.
Was Freundschaft heutzutage heißt –
wer weiß das?
Wer will es wirklich wissen?
Was für Werte werden ihr beigemessen –
heutzutage?
Wird da womöglich einiges dabei verwechselt?
Fehlinterpretiert?
Unterbewertet?
Oder überbewertet?
– Freundschaft:
ist das nicht,
sich in guten Gedanken darauf verlassend…?!
– Freundschaft:
da gibt es die nahen und weiteren Blutsverwandten,
da gibt es die Ehepartner und die Liebespartner –
und da gibt es die „reinen Freundschaften“.
Zwischen jeden dieser Beziehungen
können „wahre“ Freundschaften entstehen.
Doch während Freundschaften zwischen Verwandten,
Ehe- und Liebespartnern
eine „natürliche Verbindung“ besteht,
die eine von vornherein eine feste Bindung ist,
ist es bei den anderen,
den „reinen Freundschaften“,
grundsätzlich anders.
Und was zählt dabei?
Der gegenseitige Vertrauensvorschuss,
der einem Prozeß unterworfen ist,
der wachsen muß.
Je nach Charakter und Wesen der Vertrauensgeber,
wird hierbei in gewisser Weise „kalkuliert“.
Der Wert der Freundschaft wird „taxiert“.
Möglicherweise wird auch
eine kritische Beitrag- / Nutzen-Aufstellung vorgenommen.
Oder man vertraut blind
und mit Zuversicht auf beglückende Gemeinsamkeiten,
mit beständiger Vorfreude
auf Zukünftiges in Gemeinschaft.
Und wo und wie steht hierbei der Faktor Liebe?
Im Gegensatz zu den Personengruppen
der Verwandten und Ehe- und Liebespaaren.
Und in Hinsicht auf aufkommende Krisen und Konflikte?
Wird die Aufkündigung einer „reinen“ Freundschaftsbeziehung
nicht leichtfertiger abgetan,
als bei den anderen Personengruppen?
– Ja, soll ich ihr eigentlich überhaupt schreiben?
Was genau will ich ihr eigentlich sagen?