Sehen

Gestern Nacht hat meine Freundin mich schockiert

Charles Haiku

Ich bin schockiert,
wirklich tief erschüttert,
ja fast schon traumatisiert.

Da liege ich gestern Nacht
nichtsahnend im Bett,
die Augen halb zu,
der Körper entspannt nach einem langen Tag,
und denke,
jetzt kommt das Übliche:
ein bisschen Kuscheln,
ein paar Seufzer,
vielleicht ein schneller Ritt auf die bewährte Art,
und dann gute Nacht.

Aber nein,
meine Freundin hatte offenbar beschlossen,
die Regie zu übernehmen,
und zwar auf eine Weise,
die selbst den abgebrühtesten Porno-Regisseur erröten lassen würde.

Plötzlich fängt sie an,
mir ins Ohr zu flüstern,
nicht dieses süße „Ich liebe dich“,
nein, richtiges, dreckiges Dirty Talking,
wie aus einem Billigstreifen aus den Neunzigern.

„Du kleine Sau“,
haucht sie,
„heute ficke ich dich mal richtig durch.“

Ich denke noch:
Nett, etwas Abwechslung,
vielleicht will sie einfach mal oben liegen.

Doch dann spüre ich auf einmal
etwas Kaltes, Gleitgeliges an meinem Hintereingang
und bevor ich „Moment mal“ sagen kann,
schiebt sie mir den Finger rein,
nicht zart,
nicht vorsichtig,
nein, mit der Entschlossenheit einer Frau,
die gerade im Internet einen Workshop
„Prostata-Massage für Fortgeschrittene“ besucht hat.

Ich zucke zusammen
wie ein frisch gefangener Aal auf dem Markt.

„Was zur Hölle machst du da?!“,
keuche ich,
doch sie grinst nur diabolisch
und sagt mit dieser neuen, dominanten Stimme:
„Ab jetzt wird dir täglich die Prostata gemolken, mein Schatz.
Damit du endlich mal richtig kommst
und nicht mehr so ein langweiliger Missionars-Typ bist.“

Täglich!
Ich sehe mich schon mit gespreizten Beinen
auf dem Küchentisch liegen,
während sie mir neben dem Frühstücksei
auch noch den Saft auspresst.

Wo kommt das plötzlich her?
Gestern noch hat sie beim Sex die Augen zugemacht
und „Ist das schön“ genuschelt,
und heute plötzlich diese Amazone,
die mich wie einen verdammten Melkroboter behandelt?

Ich fühle mich wie ein Opfer moderner Emanzipation:
Früher haben Frauen geklagt,
dass Männer nur an sich denken,
heute stecken sie einem den Finger in den Arsch
und nennen es „Gleichberechtigung“.

Am schlimmsten ist:
Es hat funktioniert.
Ich bin gekommen wie ein Teenager beim ersten Mal.

Aber das sage ich ihr natürlich nicht.

Stattdessen liege ich jetzt wach,
starre an die Decke
und frage mich,
ob ich morgen früh vielleicht besser die Flucht ergreife,
bevor sie mit einem Strap-on um die Ecke kommt
und ruft:
„Schatz, Zeit für die tägliche Behandlung!“

Ich bin kein Macho,
wirklich nicht.

Aber irgendwo muss doch die Grenze sein
zwischen „ein bisschen experimentierfreudig“
und „du wirst jetzt mein persönliches Prostata-Projekt“.

Oder ist das etwa der neue Feminismus?
Früher wollten Frauen wählen dürfen,
heute wollen sie einem in den Po,
und zwar mit Ansage.

Ich bin verwirrt,
verunsichert,
und ja, auch ein kleines bisschen neugierig.

Aber das bleibt unter uns.

Und falls sie das hier liest:
Schatz,
lass uns erst mal reden,
bevor du morgen wieder mit dem Finger wedelst.

Ich bin noch nicht so weit.
Noch nicht.

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