Sehen

große literarische Probleme

Luiz Goldberg

Ach, wie quäle ich mich nachts am Schreibtisch,
die Stirn in Falten, den Stift zerbissen,
um endlich jenen heiligen, unverständlichen Quatsch
zu gebären, den die Literaturwelt als Genie feiert.

In der Prosa geht’s noch einigermaßen:
Ich werfe ein paar Nebensätze in den Raum,
lasse sie sich wie betrunkene Matrosen
gegenseitig auf die Füße treten,
bis niemand mehr weiß, ob das Subjekt
gerade die Großmutter vergewaltigt
oder nur den Teig knetet.
Ein paar Adjektive wie „transzendental“, „ontologisch“
und „poststruktural“ dazwischen gestreut –
schon riecht es nach Literaturpreis.
Die Kritiker nicken weise,
denn wer zugibt, nichts verstanden zu haben,
gilt als ungebildet.

Doch in der Lyrik? Katastrophe!
Da stehe ich mit meinen vier armseligen Zeilen,
und alles ist plötzlich nackt und klar.
„Die Rose welkt.“ – Schon verstanden.
„Der Schmerz ist ein Messer.“ – Viel zu deutlich!
Ich versuche es mit Brüchen:
„Welkt / Messer / Schmerz / im / Rosen / Nichts“
– aber selbst der dümmste Leser
sieht sofort: Aha, der Typ ist traurig.

Ich schmeiße Metaphern rein wie Konfetti:
„Die Zeit ist ein betrunkener Clown
auf dem Fahrrad der Ewigkeit,
der in die Suppe der Existenz kotzt.“
Toll, denke ich. Undurchdringlich!
Doch dann kommt der Freund, liest, lacht:
„Krass, du hast gestern wieder zu viel getrunken, oder?“
Verdammt. Wieder erwischt.

Selbst wenn ich nur Silben stapel –
„Quargl blüxt im Fnx der Zrgl“ –
schreit irgendwer: „Genial, die Entfremdung des modernen Menschen!“
Und schon habe ich wieder Sinn produziert.
Ungewollt. Unvermeidlich.

Ich wollte doch nur Quatsch.
Echten, reinen, stolzen Quatsch.
Den niemand versteht.
Nicht mal ich.

Aber nein.
Sobald ich schreibe,
wird alles verdammt nochmal
verständlich.

Das ist die wahre Tragödie
des Dichters:
Man kann nicht mal
absichtlich scheiße schreiben,
ohne dass es jemand
für Kunst hält.

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