Sehen
Hausfrauen-Klagelied
Sie hatte wirklich alles.
Ein Haus mit Wintergarten und Alarmanlage,
zwei bildhübsche Kinder,
die Klavier spielten
und beim Abi nur Einsen schrieben,
einen knallroten Sportwagen,
der beim Anlassen schon einen kleinen Orgasmus auslöst,
und einen Gatten,
der nicht nur reich und klug war,
sondern auch noch aussah
wie George Clooney nach drei Wochen Urlaub.
Dazu einen Liebhaber,
der jünger war als ihr Ältester,
dreimal die Woche kam,
sie stundenlang leckte, bis sie Sterne sah,
und danach noch den Müll rausbrachte.
Und trotzdem saß sie mir gegenüber,
nippte an ihrem Prosecco
und heulte mir die Ohren voll:
„Ich hab alles,
und trotzdem fehlt mir etwas.
Irgendwas Wichtiges.
Ich bin einfach nicht glücklich.“
Ich fragte mich ernsthaft,
ob sie noch alle Latten am Zaun hatte.
Was soll denn da noch fehlen?
Ein zweiter Liebhaber? Ein dritter?
Vielleicht ein Pferd?
Oder wollte sie jetzt auch noch Bundeskanzlerin werden,
damit sie endlich mal richtig was zu tun hat?
Aber nein.
Es war nichts Materielles.
Es war auch nicht die Liebe, die fehlte –
die hatte sie ja doppelt und dreifach.
Es war auch nicht der Sex,
denn der Liebhaber war ein wandelndes Porno-Studium
und der Gatte nahm brav seine blauen Pillen.
Nach dem dritten Glas
rückte sie endlich mit der Sprache raus.
Leise. Fast schüchtern.
„Ich will, dass er mich endlich mal richtig in den Arsch fickt.“
Ich verschluckte mich fast am Olivenkern.
„Wie bitte?“
„Ja, genau. Anal. Von meinem Mann.
Nicht vom Liebhaber –
der würde sofort, der hat ja keine Hemmungen.
Aber von meinem Mann.
Der findet das eklig.
Sagt, das sei was für Schwule oder für Nutten.
Dabei will ich das schon seit zwanzig Jahren.
Ich hab’s mit Gleitgel versucht,
mit Kerzenlicht,
mit ‚Schatz, nur die Spitze‘ –
nichts.
Er blockt ab.
Und jetzt hab ich alles, wirklich alles –
und trotzdem fühle ich mich unvollständig.“
Sie sah mich an
wie ein Kind, dem man das Pony vorenthalten hat.
„Ich meine, hallo?
Ich hab ihm zwei Kinder geboren,
ich blase ihm einen, wenn er vom Golfen kommt,
ich lasse ihn samstags Bundesliga gucken,
während ich nebenan die Wäsche bügle –
und er kann mir nicht mal diesen einen Wunsch erfüllen?
Dieses eine verdammte Loch bleibt leer.
Das ist doch unfair!“
Da saß sie nun,
die Frau, die alles hatte,
und weinte um ein bisschen Po-Sex.
Ich hab ihr dann gesagt,
was jede gute Freundin sagt:
„Schatz, kauf dir einen Plug,
leg ihn unters Kopfkissen
und warte, bis er betrunken ist.
Oder sag ihm, der Papst findet das jetzt okay.
Oder droh ihm mit dem Liebhaber –
der macht’s dir nämlich morgen früh auf dem Küchentisch,
während die Kinder in der Schule sind.“
Sie hat gelacht.
Und genickt.
Und am nächsten Tag
hat sie mir eine Sprachnachricht geschickt:
„Es hat geklappt.
Er war zuerst entsetzt, dann neugierig, dann geil wie ein Stier.
Ich hab geschrien wie ein Tier.
Und jetzt will er ein zweites Mal.
Ich bin SO glücklich.“
Moral von der Geschicht:
Manchmal fehlt der glücklichsten Hausfrau der Welt
einfach nur ein anständiger Analorgasmus vom eigenen Mann.
Alles andere hatte sie ja schon.