Sehen

ich bin ein lebendiges Paradoxon

Gernot Schwarm

Es war eine Nacht wie jede andere,
feucht und drückend.

Ich saß am Fenster,
starrte in die Leere der Straße.

Die Frau neben mir atmete gleichmäßig,
ihr Körper noch warm von dem, was gerade passiert war.

Sie hatte sich hingegeben,
ohne Fragen, ohne Zögern, ohne Gegenwehr.

Genau das, was ich wollte.

Oder dachte zu wollen.

„Bleibst du?“, murmelte sie,
die Hand auf meiner Brust.
Leicht mit den Haaren spielend.

Ich spürte den Stich.

Der Moment der Nähe,
das Gefühl, das ich gejagt hatte,
drehte sich um.

Es wurde eng, erdrückend.

Ich stand auf,
zog die Hose an.

„Nein. Muss gehen.“

Sie setzte sich auf,
die Decke rutschte herunter.

„Warum? Es war gut. Wir könnten...“

„Eben drum.“

Meine Stimme klang hart,
obwohl ich es nicht wollte.

Ich wollte sie halten, sie zerbrechen.

Beides zugleich.

Sie sah mich an, verwirrt, verletzt.

Das weckte etwas in mir,
eine dunkle Erregung.

Ich packte ihr Handgelenk,
drückte zu.

„Versteh doch. Ich brauche das.“

Sie zog die Hand weg,
Tränen in den Augen.

„Du bist verrückt.“

Ja, das war ich.

Ein Paradoxon auf zwei Beinen.

Ich hatte sie in der Bar aufgelesen,
mit Worten umgarnt,
bis sie nachgab.

Die Lust explodierte, hart und schnell.

Auf dem Boden, gegen die Wand.

Sie stöhnte, flehte um mehr.

Und jetzt?

Der Ekel stieg auf.

Ich wollte sie wegstoßen,
sie anschreien,
dass sie verschwinden soll.

„Geh einfach“, sagte ich stattdessen,
wandte mich ab.

Sie lachte bitter,
zog sich an.

„Du suchst das Unglück, oder?
Brauchst es, um dich lebendig zu fühlen.“

Stimmt.

Das Glück lag in der Zerstörung.

Hatte ich Nähe, zertrat ich sie.

Eine willige Frau?
Weg mit ihr, bevor sie bleibt.

Ich suchte Frieden,
fand ihn in Chaos.

Tragödie war mein Treibstoff.

Die Tür fiel ins Schloss.

Allein im Zimmer,
die Stille dröhnte.

Ich lächelte.

Schon dachte ich an die Nächste.

Das Spiel begann von vorn.

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