Sehen

ich will dein Eisstiel sein

Luiz Goldberg

Stell dir vor,
es ist wieder einer dieser schwülen Sommernachmittage,
wo die Luft flimmert
und jede Pore nach Abkühlung schreit.

Du sitzt auf der Bank,
die Sonne knallt,
und vor dir steht sie –
mit einem Schokoladeneis in der Hand.

Nicht irgendeines, nein,
ein richtig fettes,
das schon an den Rändern schmilzt,
braune Rinnsale laufen über ihre Finger,
tropfen auf ihre Schenkel.

Und du, du armer Tropf,
darfst nur zuschauen.

Aber dann passiert es.

Sie hält dir das Eis hin.
„Willste mal?“

Dieses eine Wort,
und schon bist du ihr Eisstiel.
Ihr persönlicher, lebendiger, pochender Eisstiel.

Sie fängt an zu lecken –
erst vorsichtig,
die Zungenspitze kreiselt um die Kuppe,
dann immer gieriger.

Ihre Lippen umschließen dich,
warm, feucht, fordernd.

Sie saugt, als gäb’s kein Morgen,
als müsste sie jeden Tropfen Schokolade aus dir rausziehen,
bis du nur noch aus purem Verlangen bestehst.

Du spürst, wie sie dich tiefer nimmt,
wie ihre Zunge über die empfindliche Unterseite tanzt,
wie sie kurz die Zähne blitzen lässt –
gerade genug, um dich zusammenzucken zu lassen,
gerade wenig genug, um dich betteln zu lassen.

Ihre Wangen hohl,
ihr Blick nach oben,
direkt in deine Augen,
während sie schluckt, schlürft, schmatzt.

Schokolade und Speichel vermischen sich,
laufen ihr übers Kinn,
auf ihr Dekolleté,
und du denkst nur:
Gott, ja, mach mich leer,
saug mich aus,
bis nichts mehr übrig ist außer einem zitternden, sabbernden Wrack.

Sie weiß genau, was sie tut.
Jede Bewegung ist Berechnung und Geilheit zugleich.

Mal langsam, fast zärtlich,
dann wieder so gierig,
dass du das Gefühl hast,
sie will dich verschlingen,
mit Stiel und Waffel und allem.

Deine Knie werden weich,
dein Atem geht stoßweise,
und irgendwo tief drinnen bettelst du stumm:
Bitte, hör nicht auf,
bitte mach weiter,
bis ich nur noch Schokoladenpampe in deinem Mund bin.

Und wenn sie dann endlich den letzten Tropfen erwischt hat,
wenn sie sich genüsslich über die Lippen leckt,
dir dieses kleine, teuflische Lächeln schenkt
und sagt:
„War lecker“,

dann weißt du es:

Du warst nie der Typ mit dem Eis.
Du warst das Eis.
Ihr Eis.
Ihr Spielzeug.
Ihr süßer, klebriger, komplett aufgefressener Traum.

Und genau deshalb
stehst du morgen wieder da.
Mit einem neuen Schokoladeneis in der Hand.

In der Hoffnung,
dass sie wieder fragt:
„Willste mal?“

Denn mal ehrlich –
wer möchte nicht ab und zu
einfach nur lecker geschleckt, geschlürft
und bis auf den letzten Tropfen ausgesaugt werden?

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