Sehen
Im Banne eines frühen Neins
Die Jahre schwinden, doch der Hof bleibt klar in meinem Geist.
Ich weiß nicht mehr, wie alt wir waren, nur dass wir Kinder waren.
Nackt spielten wir im Sonnenschein, die Haut von Licht umhüllt.
Es war ein Sommer, warm und frei, bei meinen Eltern auf dem Hof.
Du warst da, Juli, deine schwarzen Haare glänzten in der Sonne.
Ich fand dich hübsch, ein kindliches Begehren regte sich in mir.
Ein Film kam mir in den Sinn, ein Junge fragte ein Mädchen um einen Kuss.
Sie sagte ja, und ich, ungeküsst, fühlte mein Herz schneller schlagen.
Ich spürte dieses Interesse, diese Neugier auf Mädchen, auf dich.
In meinen kühnsten Träumen malte ich mir aus, wie es wäre, dich zu küssen.
Ich sah es vor mir, ein Moment, der alles verändern könnte, so dachte ich.
Und dann stand ich vor dir, die Sonne brannte, mein Mut ein zartes Flüstern.
Ich fragte dich, mit klopfendem Herzen, ob ich dich küssen dürfe, so direkt.
Die Welt schien stillzustehen, dein Blick traf mich, und du sagtest „Nein“.
Dieses Wort, so schlicht, so endgültig, traf mich wie ein kalter Windstoß.
Ich war geschockt, mein kindliches Ich verstand die Welt nicht mehr.
Dieses „Nein“ grub sich tief ein, es wurde ein Schatten, der mich begleitete.
Es prägte mein Leben, mehr als ich damals ahnen konnte, es formte mich.
Die Angst, wieder einen Korb zu bekommen, nistete sich in meinem Herzen ein.
Später erst erkannte ich, dass dies der erste Korb war, der mich traf.
Er war der Anfang, der Grundstein für etwas, das ich nicht kommen sah.
Dein „Nein“ spannte mich an, trieb mich, herauszufinden, ob ich erneut scheitern würde.
Bei dieser Frau, bei jener, immer wieder fragte ich, immer wieder fürchtete ich.
Aus Angst wurde ein Drang, ein Wunsch, diese Wunde zu heilen, zu überwinden.
Ich wurde ein Don Juan, nicht aus Leidenschaft, sondern aus Ängstlichkeit.
Dein „Nein“ war der Ursprung, die Therapie für eine Wunde, die nie ganz schloss.
Jede Eroberung, jeder Blick, jedes Lächeln war ein Versuch, es zu beweisen.
Ich wollte die Angst besiegen, wollte zeigen, dass ich nicht scheitern würde.
Doch tief drinnen blieb dein „Nein“, ein Echo, das mich nie ganz verließ.
Es war der Hof, die Sonne, dein schwarzes Haar, die alles veränderte.
Du, Juli, warst der Anfang, der Funke, der mein Herz in Bewegung setzte.
Die Angst, die du mir gabst, wurde zum Antrieb, mein Leben zu formen.
Ich jagte Liebe, jagte Bestätigung, um dieses eine Wort zu übertönen.
Und doch, im Stillen, denke ich zurück an jenen sonnigen Tag, an dich.
Dein „Nein“ war nicht nur Schmerz, es war auch ein Lehrer, der mich formte.
Es machte mich, wer ich bin, ein Mann, der liebt, aus Angst vor einem Korb.
Die Sonne scheint noch immer, in meinen Träumen, auf jenen Kinderhof.
Und du, Juli, bist dort, mit deinem Haar, und ich frage mich, was wäre gewesen.
Ein Kuss, ein „Ja“, ein anderer Weg, doch ich bin hier, geformt von dir.
Im Schatten deines „Neins“ fand ich meinen Weg, meinen Schmerz, mein Herz.