Sehen

Im Partykeller

Ferdinand Freiherr von der Ferne

Deutschland sucht den Superstar.
Mario Barth deckt auf.
Die Bayern wieder mal Meister.
Rotblühende Balkongeranien.
Guido konnte eigentlich nichts mehr so richtig aushalten.
Somit zog er sich elegant zurück
und stieg die Kellertreppe herab.
Dort begegnete ihm ein Fräulein aus den 70ern.
Kurz und gut,
er verfiel in die Vergangenheit –
in den 70ern!
Das Fräulein war etwas pummelig und unhübsch
und recht klein,
aber so nett,
dass sie ihn bei der Hand nahm
und ihn in den Partykeller zog,
in dem einige männliche Typen
an der selbstgezimmerten Bar
auf Barhockern saßen,
Bier tranken
und sich Blondinenwitze erzählten.
Andere Personen,
vornehmlich weibliche,
tanzten auf der kleinen Fläche,
die offenbar als Tanzfläche
dazu freigehalten wurde.
An den Wänden saßen noch ein, zwei Personen
auf Stühlen,
die zuschauten.
Die brüllenden Farben der Raumausstattung
taten seinem Augenlicht weh.
Poster aus Musikzeitschriften
mit Popstars drauf,
zierten die vier Wände.
Bunte Strahler strahlten von der Decke
ihr buntes Strahlerlicht
auf die Tanzfläche.
Dabei dröhnte aus billigen Musikboxen
krächzend ausgerechnet der Hit von Boney M.,
den Guido schon damals nicht ausstehen konnte:
„By the Rivers of Babylon“…
Na toll, da bin ich ja vom Regen in die…
Doch da schubste ihn eine andere junge Frau an
und forderte ihn zum Tanz.
Die entzückende Hübschheit der jungen schlanken blonden Frau,
die keine 20 Jahre alt sein mochte,
bewog ihn, ihrer Aufforderung nachzukommen,
und so stand er wenige Sekunden später
zappelnd zu Boney M.-Tönen
auf der kleinen Tanzfläche
und hatte Gelegenheit,
der hübschen jungen Frau näher zu kommen.
Doch daraus wurde nichts.
Guido fühlte sich gleich nach den ersten Tanztakten
grob an der Schulter gepackt
und von seiner Tanzpartnerin weggezogen.
Als er sich umdrehte,
um zu sehen, wer sich diese Unverfrorenheit erlaubte,
sah er in ein echt brutales Finstergesicht,
dessen Kopf von einer mittelblonden Minipli-Frisur umrahmt war.
Zudem besaß das Gesicht dieses Mannes
auch noch einen mittelblonden Schnäuzer
der Marke Mark Spitz.
Guido sah nun kurz an diesem Typen herunter,
auf sein hautenges, offenes, lindgrünes Jersey-Hemd,
aus dem dunkle Brusthaare hervorsprossen
und auf seine beigefarbene Jersey-Schlaghose
mit Bügelfalte.
Der Kontakt mit diesem Typen
dauerte nur einen kurzen Moment,
da Guido geistesgegenwärtig seine Hände
von seiner blonden Tanzpartnerin entfernte
und seinen Körper lächelnd
auf die andere Seite hinschwenkte,
wo das kleine pummelige Fräulein stand,
das die Szene bis hierhin
mit staunender Mine verfolgt hatte.
Doch Guido hatte keinerlei Chance,
das Fräulein zu erreichen.
Er fühlte sich erneut von dem Minipli-Typen
an der Schulter gepackt,
zu sich herumgedreht –
und zack –
lag er auf dem Tanzboden,
aus grau gestrichenem Estrich.
Guido blutete aus seiner Nase,
doch die Szene erregte ansonsten keinerlei Aufsehen.
Die etwa 15 bis 20 Personen des Partykellers
kümmerten sich in keinster Weise um das Geschehene.
Man tanzte weiter,
man plauderte weiter an der Bar,
man trank weiter Bier, Krefelder
oder das Cola-Fanta-Gemisch.
(Wie hieß das noch?)
Guido hatte nicht den Schimmer einer Erklärung
für all das.
Aber er hatte mal wieder die Schnauze von allem voll.
Und so verließ er mit blutender Nase
den Partykeller,
stieg die Kellertreppe herauf
und erst im Hausflur wurde ihm klar,
dass er wieder zurück in die Gegenwart gelandet war,
da er mit dem Nachbarsjungen,
der sein Handy dicht an die Nase gehalten,
schmerzhaft zusammenprallte.
Klar blutete seine Nase jetzt erst recht…

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