Sehen
Im Sternerestaurant
Ob wir schon gewählt hätten,
fragte uns der Kellner.
Carla zeigte ihm mit dem Finger
eine bestimmte Stelle auf der Speisenkarte.
Daraufhin bekamen wir
die vollständige Bezeichnung jenes Gerichtes
in gewähltem Hochdeutsch zu hören
und ein abschließendes:
„Zweimal –, danke!“,
das auffallend übermäßig betont wurde.
Kurz darauf erschien derselbe Kellner
mit zwei Gläsern
und einer Flasche Rotwein,
die wir zuvor bestellt hatten.
Das Essen war vorzüglich.
Doch zwischendurch wurden wir wiederholt
von des Kellners Gesten und Aussprüchen
die im Restaurantgewerbe üblich sind,
berieselt.
Ich hatte noch nie eine hohe Achtung vor Kellnern;
alle haben sie so etwas Gekünsteltes, Aufgezwungenes.
Von Berufs wegen, natürlich.
Aber dieser hier,
war ganz besonders affektiert;
so, als gelte es
in eine Endausscheidung eines hochdotierten Wettbewerbs
für extraelegante Kellner zu gelangen.
Und doch sind es gerade diese,
mit solch ernsthaftem Raffinesse betriebenen,
gestelzten und affektierten Gepflogenheiten
des Restaurant- und Hotelgewerbes,
eine der letzten Überbleibsel an Umgangsformen im Alltag,
die ich nicht missen möchte,
und die schon seit ewigen Zeiten Bestand haben.
Während dieser Gedanken,
weckte mich eine extrahöfliche Aufmerksamkeit,
an Carla gerichtet:
„Die Eiskarte für die Dame!“
Meine alte Tante Änne wäre vor Entzücken aufgeleuchtet,
bei der Art wie er sich zu Carla vorgebeugt hatte:
Seine linke Hand klebte förmlich
an seinen Lendenwirbeln im Rücken.
Ich mochte kein Eis mehr,
viel zu voll hatte ich mich sattgestopft,
währenddessen mir Carla immer wieder
ihre berühmten Empörungsblicke zuwarf,
wegen meiner eigenen Art zu speisen
und der dazugehörigen Schnelligkeit.
Carla war einfach zu vornehm.
Kein Wunder,
bei dem Elternhaus in der sie aufgewachsen ist.
Reinster Geldadel. –
Doch an diesem Tage erwartete mich noch eine verblüffende Überraschung.
Als der Kellner zum Schluß mit der Rechnung vor uns herantrat,
fragte er,
mit Blick auf Carla gerichtet:
„Darf ich sonst noch etwas für Sie tun?“
„Oh ja“, erwiderte Carla
„holen Sie bitte Ihren Penis heraus,
ich möchte Ihnen einen blasen.“