Sehen

ingenieurtechnische Optimierung des Geschlechtsverkehrs

Luiz Goldberg

Er war Diplom-Ingenieur,
Fachrichtung Maschinenbau,
und für ihn war Sex nichts anderes
als angewandte Mechanik mit biologischen Komponenten.

Schon beim ersten Date
zog er sein kleines Notizbuch aus der Sakkotasche
und skizzierte auf der Papiertischdecke
den optimalen Penetrationswinkel.

17,3 Grad nach kranial,
4,2 Grad lateral,
Stoßfrequenz 92 pro Minute –
alles aus seiner Excel-Tabelle „Koitaldynamik V3.7“.

Zu Hause hatte er extra ein Stativ gebaut,
ähnlich einem Theodoliten,
auf dem sein Becken exakt ausgerichtet wurde.

Seine Freundin lag auf dem eigens konstruierten „Koitaltisch“
mit verstellbaren Beinstützen,
Neigungswinkel stufenlos von 0 bis 45 Grad.

Eine LED-Leiste zeigte grün,
sobald die Sollposition erreicht war.

„Perfekt“, murmelte er,
während er mit dem Laserpointer den Eintrittspunkt markierte.

„Reibungskoeffizient minimal,
Druck auf den vorderen Vaginalbereich maximal.“

Er trug sogar ein Headset
und sprach die Werte ins Diktaphon:
„Zeitpunkt T plus 47 Sekunden,
Tiefe 14,8 cm,
Temperatur 37,4 Grad,
Feuchte ideal.“

Sie lag da, leicht genervt, aber neugierig,
ob dieser Technikfick wirklich das versprochene Feuerwerk bringen würde.

Er startete das Programm.

Der erste Stoß – exakt berechnet, butterweich.
Der zweite – noch präziser.

Ab dem fünften Stoß begann ihr Unterleib jedoch zu rebellieren.
Die Muskulatur verkrampfte sich,
als wollte sie sagen:
„Das ist kein Maschinenpark, du Spinner, das ist meine Fotze!“

Er bemerkte es erst,
als das Display rot aufleuchtete:
„Warnung: Gegendruck über Toleranz!“

Er erhöhte die Frequenz,
weil seine Tabelle das bei „Reibungsproblemen“ empfahl.

Ergebnis: Scheidenkrampf Level 9 von 10.

Sie schrie auf –
nicht vor Lust, sondern weil sich alles zusammenzog
wie eine überdrehte Schraubzwinge.

Er zog erschrocken zurück,
sein bestens kalibrierter Schwanz plötzlich gefangen
in einem biologischen Schraubstock.

„Das darf nicht sein!“, stammelte er.
„Die Finite-Elemente-Analyse hat 0,00 % Krampfwahrscheinlichkeit errechnet!“

Sie lag keuchend da, Tränen in den Augen,
und sagte nur einen Satz:

„Weißt du was, Schatz?
Nächstes Mal fickst du einfach wie ein normaler Mensch –
mit Gefühl und ohne Winkelmesser.“

Er nickte zerknirscht,
klappte das Stativ zusammen
und schrieb in sein Notizbuch:

„Biologische Systeme weisen offenbar nicht-lineare, chaotische Reaktionen auf.
Neuer Ansatz nötig: Intuitive Stoßtechnik V1.0 –
auch bekannt als ‚einfach mal drauflosvögeln‘.“

Seitdem steht das Stativ im Keller.

Und sie hat seitdem deutlich öfter Orgasmen –
ohne dass eine einzige Dezimalstelle beteiligt ist.

Manchmal ist der beste Winkel eben doch der,
den man mit der Hüfte fühlt
und nicht mit dem Zirkel misst.

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