Sehen
Liebe in Formeln
Ich habe gehört, die Welt ist aus kleinen Stücken.
Alles zerfällt, selbst das Licht, in winzige Teile.
Nichts bleibt ganz, alles löst sich auf in den Raum.
Ich sitze und frage mich, was hält mich zusammen.
Gibt es ein Sex-Atom, das nachts in mir pulsiert?
Ein Liebes-Quarkteilchen, das sich im Herzen regt?
Ein Elektron des Glücks, das irgendwo in mir blinkt?
Ich stehe auf, gehe los, die Frage in der Hand.
Der Physiker sitzt zwischen Papieren, kalten Zahlen.
Ich frage ihn, ob Liebe sich in Teilchen finden lässt.
„Keine validen Daten“, sagt er, die Stimme flach,
„für Sex-Atome oder Glück gibt’s keinen Messwert.“
Er sieht mich an, als wäre die Frage ein Fremdkörper.
„Geh zum Chemiker“, sagt er, „der hat Moleküle,
vielleicht findet er Liebe in seinen Reagenzgläsern.“
Ich gehe weiter, die Antwort bleibt ein leeres Echo.
Der Chemiker steht in einem Raum, wo Flüssigkeiten summen.
„Ein Sex-Atom?“ sagt er und grinst, die Augen hell.
„Das ist Chemie, mein Freund, Oxytocin, Dopamin.
Es rauscht im Blut, macht die Hände unruhig, warm.
Kein Quark, kein Elektron, nur Stoffe, die sich binden.“
Er spricht, als hätte er die Liebe in Fläschchen gefasst.
„Es knistert wie Funken, die Haut wird weich, lebendig.“
Ich höre zu, doch die Worte gleiten an mir vorbei.
Ein Psychologe tritt ein, seine Stirn ist voller Falten.
„Stopp“, sagt er, „du irrst, Chemiker, die Liebe ist Geist.
Der Gedanke kommt zuerst, die Bilder im Kopf, die Sehnsucht.
Moleküle folgen nur, wie Schatten hinter dem Licht.“
Der Chemiker lacht scharf: „Ohne Stoffe denkst du nichts!
Dein Kopf ist leer, wenn mein Oxytocin nicht tanzt.“
„Unsinn“, ruft der Psychologe, „der Gedanke schafft das Gefühl!“
Sie starren sich an, als könnten Worte die Wahrheit schneiden.
Ein Philosoph erscheint, die Hände tief in den Taschen.
„Ihr streitet um Teilchen“, sagt er, „doch seht ihr den Kern?
Liebe, Glück, Schönheit – das ist keine Substanz.
Man muss es entwerfen, aus Ideen die Welt neu bauen.
Platon wusste, dass Wahrheit nicht in Molekülen liegt.
Fragt den Mathematiker, er wird es in Zahlen fassen.“
Sein Blick geht ins Leere, als sähe er etwas, das fehlt.
Ich nicke, doch die Frage in mir wird nicht leichter.
Der Mathematiker sitzt vor einem Blatt, voll Zeichen.
Seine Augen leuchten, als ich von Liebe spreche.
„Ein Liebes-Quarkteilchen?“ sagt er, „das könnte ich rechnen.
Eine Gleichung für Glück, Vektoren für Sehnsucht, Sex, wie schön!.
Und ich frage mich, will ich so etwas wirklich?