Sehen

Liebesbrief

Ferdinand Freiherr von der Ferne

Mein geliebtes Vögelchen,
ich liebe Dich.

Ich möchte Dich lieben wie ein Hahn sein Lieblingshuhn,
ich möchte Dich lieben als wärst Du eine Elster,
die gerade meine goldenen Schätze gestohlen hat,
ich will mit Dir schnäbeln daß die Federn fliegen,
Du Wundervögelchen das mich wundern läßt,
Du süßer Piepmatz der so süß piept,
Du Spätzchen das von den Dächern pfeift,
Du weiblicher Pfau der stolz auf seinen männlichen Pfau ist,
Du Nachtigall, die die süßesten Lieder singt,
Du Moorhühnchen, das ich schießen will um es sogleich aufzuessen vor lauter Liebe,
Du kleiner Kiwi, den ich überall mitnehmen und zeigen will,
aber niemals hergeben,
Du aus dem Nest gefallenes Rotkehlchenküken,
das ich von eigener Hand aufziehe und großfüttere,
Du süßes kleines gelbes Entenküken,
das ich mit meiner Nase warmkuschel,
Du winziger Kolibri, der keinerlei Gewicht hat –;

ja ich will Dich so sehr lieblieb haben,
ja ich will Dich sogar vögeln,
nicht nur in meiner Phantasie,
auch wenn Du manchmal ein wahrer Eisvogel bist,
und dann will ich Dich doch eisvögeln,
ja, solange bis ich uns im warmen Paradies wähne,
Du prachtvoller Paradiesvogel,
ja, ich will Dich paradiesvögeln,
und Dich pieken bis zum Zwitschern –;

und wenn Du dann vor lauter Paradiesvögellust zwitscherst
wie ein kleines liebes paradiesgevögeltes Vögelchen,
dann sperr ich Dich sogleich in einen goldenen Vögelkäfig ein,
damit Dich kein anderer…
Du verstehst was ich meine…

Du liebesliebes kleines Vögelchen,
das ich stets in meiner hohlen Hand halte –;
ich will Dich, der Du dann auf der Schaukel im goldenen Vögelkäfig sitzt
und zwitscherst,
auf einen prunkvollen Altar stellen,
mich vor Dir hinknien
und Dich den ganzen Tag anbeten und Dir huldigen,
weil Du mein allerschönstes zwitscherndes Vögelchen bist,
und nur mir ganz allein gehörst und mir singst –
Lieder von Liebe und Vögeln –,

und dann hole ich Dein schönes rosa Poesiealbum hervor,
und lese Dir all die Ferse an Dich vor,
die ich Dir zu Anfang unserer Liebe reingeschrieben habe
und all die wunderschönen honigsüßen sonniggleben Sumpfdotterblümchenlyriken,
die ich Dir im weiteren Verlauf, bis auf den gestrigen Tag, geschrieben habe.

– Ich liebe Dich.

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