Sehen

mahnende Worte

Peter Muschke

Johnny, du armer Tropf,
was hat diese Frau nur aus dir gemacht?

Früher warst du der König der Nacht,
ein echter Hengst,
der die Weiber reihenweise um den Verstand brachte.

Mit einem Augenzwinkern
und einem Grinsen,
das Türen öffnete – und Hosen.

Die Damenwelt lag dir zu Füßen,
bettelte um deine Aufmerksamkeit,
und du hast sie dir genommen,
wie es dir passte.

Wild, ungezähmt,
ein Stier auf der Weide,
der brüllte und stampfte,
bis die Erde bebte.

Dein Leben war ein einziges Abenteuer,
voller Feuer und Freiheit,
ohne Kompromisse,
ohne Ketten.

Und jetzt?
Schau dich an, Johnny.

Ein Wrack,
ein seelenloser Schatten deiner selbst.

Zurechtgestutzt wie ein Bonsai-Bäumchen,
das man in Form biegt,
bis nichts Wildes mehr übrig ist.

Früher hast du die Nächte durchgezecht,
hast mit Kumpels gelacht,
bist spontan in Bars eingefallen
und hast die Welt erobert.

Heute?
Du sitzt daheim,
wartest auf ihre Erlaubnis,
um mal auszugehen.

Deine Freunde?
Die siehst du kaum noch,
weil sie "zu laut" oder "zu kindisch" sind.

Dein Style?
Weg,
ersetzt durch Hemden, die sie aussucht,
und Hobbys, die sie mag.

Du bist zurechtgebogen, Johnny,
wie ein Draht, den man um den Finger wickelt,
bis er bricht.

Wie hat sie das nur geschafft?
Ganz schleichend,
wie ein Gift, das man nicht schmeckt.

Am Anfang war alles perfekt –
sie hat dich umgarnt,
mit Komplimenten
und diesem Blick,
der dich schwach machte.

"Du bist mein starker Mann",
hat sie gesagt,
und du hast es geglaubt.

Dann kamen die kleinen Korrekturen:
"Schatz, trink nicht so viel, das ist ungesund."
Oder:
"Deine Kumpels sind nett, aber lass uns mal was Ruhiges machen."

Du hast genickt,
weil du sie glücklich machen wolltest.

Liebe, oder?
Aber Liebe ist kein Käfig, Johnny.

Sie hat dich umerzogen,
Stück für Stück.

Deine Leidenschaften?
Abgewürgt.

Dein Humor?
Gezähmt.

Selbst im Bett –
früher der Wilde, der nahm, was er wollte –
jetzt fragst du erst, ob's okay ist.

Sie hat dich domestiziert,
wie einen Löwen im Zoo,
der nur noch brummt, wenn's Futter gibt.

Du bist durch und durch langweilig geworden, Johnny.
Kein Funke mehr,
kein Abenteuer.

Früher hast du Motorrad gefahren,
bist gereist,
hast Risiken eingegangen.

Jetzt planst du Urlaube nach ihrem Kalender,
isst Salat statt Steak
und redest über Einrichtungstipps.

Deine Seele?
Kaputt, leer,
ein Echo von dem, was mal war.

Die Frauen, die dir früher nachgeschaut haben?
Die lachen jetzt über dich,
den braven Ehemann,
der zu Hause hockt und Serien guckt.

Du bist nicht mehr du, Johnny.
Du bist ihr Projekt,
ihr Werkzeug,
ihr zahmer Hund,
der bellt, wenn sie pfeift.

Und das Schlimmste?
Du merkst es kaum.

Du denkst, das ist Reife,
das ist Verantwortung.

Aber nein,
das ist Kapitulation.

Sie hat dich gebrochen,
ohne dass du es mitbekommen hast.

Mit Zärtlichkeit,
mit Vorwürfen,
mit diesem "Für uns"-Gequatsche.

"Wir müssen zusammenwachsen",
sagt sie,
und meint:
Du musst dich anpassen.
An sie.
Immer an sie.

Aber die spannendste Frage, Johnny:
Was hat sie mit dir vor?

Ist das der Plan?
Dich endgültig zu brechen,
bis nichts mehr von dem alten Stier übrig ist?

Will sie dich als Trophäe,
als perfekten Partner,
der nie widerspricht?

Oder ist das nur der Anfang?
Vielleicht formt sie dich um,
für etwas Größeres –
für Kinder,
für ein Spießerleben,
für eine Zukunft,
in der du nur noch nickst und zahlst.

Was kommt als Nächstes?
Deine Träume opfern?
Deine Freiheit ganz?

Sie hat dich schon halb erobert, Johnny.
Der wilde Stier ist ein Ochse geworden,
der den Pflug zieht.

Wach auf, Mann!
Bevor es zu spät ist.

Schau in den Spiegel:
Ist das der Johnny, den die Welt kannte?
Der, der lebte, statt zu existieren?

Oder bist du schon verloren,
ein Wrack, das sie steuert?

Die Frage ist nicht, wie sie das geschafft hat –
die ist klar.

Die echte Frage:
Lässt du das zu?
Oder brichst du aus,
bevor sie dich ganz hat?

Deine Entscheidung, Johnny.
Aber warte nicht zu lang.

Der Stier in dir stirbt sonst leise aus.
Und dann?
Dann bist du wirklich kaputt.
Für immer.

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