Sehen
mit Eifer das Leben reformieren
Ach, der Reformeifer –
diese plötzliche Erleuchtung,
die einen überfällt
wie ein Ständer beim Anblick
einer prallen Arschbacke in enger Jeans.
Man wacht auf,
schaut in den Spiegel
und denkt:
Scheiße, das bin ja ich,
dieser fettige, rauchende, ungepflegte Sack,
der seit Monaten nur noch
mit der Fernbedienung wichst
und sich von Fertigpizza ernährt.
Genug!
Heute wird alles anders!
Man schwört sich,
ein neues Leben zu beginnen,
straffer, gesünder, attraktiver –
ein echter Mann,
der Frauen flachlegt,
statt sich selbst einen runterzuholen.
Also los.
Zuerst die Sporthose.
Nicht irgendeine, nein,
eine teure, knallbunte,
die den Hintern so richtig schön betont
und den Schwanz in Pose bringt.
Man zieht sie an,
fühlt sich wie ein Gott,
dreht sich vor dem Spiegel,
bewundert die Konturen des eigenen besten Stücks
und stellt fest:
Ja, das ist der neue Ich!
Dann die Zigaretten.
Alle Packungen in den Müll,
mit einem dramatischen Schwung,
als würde man gerade die Welt retten.
Kein Nikotin mehr, kein Qualm,
nur pure Lunge und frische Luft –
und ein paar Stunden später
schon der erste Heißhunger,
der einem den Schwanz verdreht.
Dann der Rasur.
Gründlich, mit scharfem Rasierer,
bis das Gesicht glänzt
wie ein frisch polierter Dildo.
Man will ja schließlich wieder küssbar sein,
nicht wie ein stoppeliger Penner,
der nur noch für Solonummern taugt.
Und weil man schon mal richtig Gas geben will,
ab zum Friseur.
Nicht zu irgendeinem, nein,
zu der mit der großbusigen Blondine,
die einem schon immer diese feuchten Träume beschert hat.
Sie beugt sich vor,
ihre gewaltigen Glocken wippen einem fast ins Gesicht,
der Duft ihrer Titten steigt einem in die Nase,
und man sitzt da, hart wie Stahl,
und lässt sich die Haare schneiden.
Sie massiert die Kopfhaut,
flüstert „Entspann dich doch mal“,
und man denkt:
Ja, Baby, genau das will ich –
dich auf dem Stuhl, Beine breit,
während ich dir die Frisur versaue.
Frisch gestylt, glatt rasiert,
in der engen Hose,
die den Kolben schön prall zur Schau stellt,
marschiert man nach Hause.
Der neue Mensch!
Der disziplinierte, sportliche, gesunde Übermensch!
Man setzt sich vor den Fernseher,
dreht eine Flasche auf –
nicht Wasser, nein, einen ordentlichen Schnaps,
dann Bier dazu,
bis der Kopf schön schwer wird.
Die Sporthose spannt,
die Zigaretten fehlen,
aber scheiß drauf.
Die Blondine im Kopf,
die Titten noch in der Nase,
der Schwanz halbsteif von der Erinnerung
an ihren Atem im Nacken.
Und während man da sitzt,
betrinkt man sich ordentlich,
bis alles verschwimmt
und der Reformeifer sich in einen runterholt.
Am nächsten Morgen wacht man mit Kater auf,
die Sporthose ist vollgesaut,
die Blondine nur ein Traum,
und alles wieder beim Alten.
Aber hey, wenigstens hat man es versucht.
Kurz. Sehr kurz.
Und genau das macht den Reformeifer so geil:
Man weiß, dass man scheitern wird –
und genau das macht’s so verdammt menschlich.
Und morgen?
Morgen wird alles besser.
Versprochen.
Oder auch nicht.