Sehen

Noch

Ferdinand Freiherr von der Ferne

Er träumt sich hinein.

In die Welt von damals.

In seine Welt von damals.

Er schließt die Augen
und sieht sogleich ein paar der damaligen Mädels,
wie sie sich gebärdeten.

So frivol,
so ausgelassen und hemmungslos.

Damals, in den Siebzigern
galt das unausgesprochene Gebot der „freien Liebe“
in seiner Gruppe.

Da ging es mitunter drunter und drüber.

Ja, nicht nur, daß er mal über einer lag,
nein, er lag oftmals unter einer…
und er liebte das ganz besonders.

Wenn diejenige dann rittlings auf ihm saß
und seiner war dabei bei ihr drin.

Ach je, das war was!

Und die Details…

Und neben seiner langjährigen Freundin,
dann Hildegard, Angelika, Moni, Astrid
und noch einige andere…

Und seine Freundin,
die ihrerseits noch nebenher
den kleinen schwarzen Franzosen, Ralf
und auch noch einige andere…

Ja, drunter und drüber eben –
bis es schmerzte. –

Und heute?

Wie sieht´s heute mit ihm aus?

Hat er noch Lust?

Ja, hat er.

Kann er denn noch?

Noch, ja.

Nicht mehr so wie früher,
aber ja doch, er kann noch.

Noch.

Dieses fürchterliche NOCH.

Er haßte dieses Noch.

Wann immer er heutzutage
mit seinesgleichen seiner Generation zusammenkommt,
ins Gespräch kommt –,
kommt früher oder später dieser Aspekt
mit diesem furchtbaren Noch.

„Kannst du noch…?“

Kannst du noch dies,
kannst du noch das…

Kriegst du ihn noch hoch?... –;

bishin zu solchen „Running Gags“ wie:
„Hast du noch Sex,
oder spielst du schon Golf?“

Bah!

Er haßte das.

Immer dieses Noch.

Dabei… ja, er hatte NOCH Lust!

War noch voller Begierden…

Hätte noch gern diese oder jene verführt
und flachgelegt.

Und hatte er noch Sex
mit seiner langjährigen –
allzu langjährigen – Frau?

Ja, hatte er auch noch.

Aber die Häufigkeit,
die Intensität,
die Lust mit IHR…
hatte leider stark nachgelassen.

Und dennoch hielt er sich krampfhaft
an dieses NOCH.

„Ich kann noch dies,
ich kann noch das…!“

Sport, Gartenarbeit, Haushalt, Nebenjob –
alles irgendwie geht noch,
geht noch…

Noch.

Was will man schon machen?

Das Alter rückt unbarmherzig näher,
es ist wie eine Krankheit
die einem vorherbestimmt ist
und mit dem Tod endet.

Und je weiter das Alter vorgerückt ist,
umso mehr macht er sich Gedanken.

Nun denn,
er ist noch keine 90 –
eine Zahl die er so für sich
als Mindestmaß angepeilt hat.

Davon ist er noch lang entfernt.

Und seine Phantasien in Bezug auf Eros und Sexus…

Die sind ungebremst.

Die Phantasien –
da braucht es nicht von „noch“ zu reden,
da kann er in der Tat behaupten
„Das BLEIBT wie es immer war!“

Damit ist er sich sicher.

Seine erotischen Phantasien
wird er bis zur letzten Minute seines Lebens haben!

Vielleicht ein wenig weniger schmutzig als sonst –
aber sie werden bleiben!

Das ist so sicher
wie daß die Sonne morgen wieder aufgeht!

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