Sehen

ölige Haut und feiner Sand

Luiz Goldberg

Der Strand im Hochsommer
ist ein einziger, glühender Fleischmarkt.

Die Sonne knallt wie ein sadistischer Spot
auf tausende nackte Körper,
die sich wie Ölsardinen in der Hitze räkeln.

Es riecht nach Kokos,
Schweiß
und unterdrückter Geilheit.

Und mittendrin die eifrigen Männer.
Diese Helden des Alltags,
die plötzlich zum Masseur mutieren,
sobald ihre Frau auf dem Bauch liegt
und der Bikinihaken sich wie von selbst öffnet.

„Schatz, ich mach dir den Rücken“,
säuseln sie
mit einer Stimme, die zwei Tonlagen tiefer ist als nötig,
während die Flasche mit dem Sonnenöl schon in der Hand juckt.

Dann beginnt das Ritual.

Großzügig, fast schon devotional
wird das Öl verteilt.
Von den Schulterblättern runter bis zum Steißbein,
mit besonderem Augenmerk auf die Stelle,
wo der Tanga gerade mal zwei Fingerbreit Stoff lässt.

Die Hände gleiten, kneten, streichen,
angeblich alles nur zum Schutz vor der Sonne.
Klar doch.

In Wahrheit ist das hier
die legale Variante des öffentlichen Vorspiels.

Manche Männer sind echte Künstler:
Sie malen mit dem Öl kleine Kreise,
fahren die Wirbelsäule entlang
wie auf einer Landkarte der Lust
und lassen dabei „zufällig“ die Finger unter den Stoff rutschen.

Die Frauen lassen es geschehen,
brummen wohlig,
recken den Po ein Stück höher,
angeblich, damit auch wirklich jede Stelle erwischt wird.

Und dann kommt der Sand.
Dieser feine, fiese, überall reinkriechende Strandstaub.

Kaum ist das Öl verteilt,
klebt er sich fest wie ein eifersüchtiger Liebhaber.
An den Oberschenkeln,
im Po-Ritzen-Tal,
zwischen den Brüsten.

Ein natürliches Peeling,
gratis und für die Ewigkeit.

Abends im Hotelzimmer
findet man ihn noch im Bettlaken,
in der Unterhose,
im Kultur palsy.
Ein Souvenir der besonderen Art:
„Weißt du noch, wie du mir am Strand so selbstlos den Rücken eingerieben hast, mein Held?“

Die Wahrheit ist:
Dieser Ölmoment
ist der letzte Rest von Eroberung,
der dem modernen Mann im Urlaub noch bleibt.

Zu Hause darf er höchstens den Müll runterbringen.
Aber hier, vor allen Leuten,
darf er seine Frau noch öffentlich markieren,
mit Kokosduft und glänzender Haut.

Ein letztes Aufbäumen des Höhlenmenschen:
„Das ist meine Frau, seht ihr, wie ich sie einreibe?
Meine Hände, mein Öl, mein Sand.“

Und während die Frauen mit geschlossenen Augen daliegen
und sich denken
„Hauptsache er lässt mich in Ruhe bräunen“,
träumen die Männer insgeheim davon,
dass später im Hotelzimmer genau dort weitergeht,
wo der Sand jetzt schon klebt.

Denn nichts macht einen Mann geiler
als die Gewissheit,
dass er seiner Frau „nur“ den Rücken eingeölt hat,
vor 300 Zeugen,
mit dem feinen Sand als stillem Komplizen.

Und wenn sie abends unter der Dusche stehen
und sich gegenseitig den Strand aus den intimsten Stellen waschen,
dann ist das der eigentliche Höhepunkt des Urlaubs.

Dann wird aus dem öffentlichen Vorspiel endlich das,
was es von Anfang an sein sollte:
ein verdammt guter Grund,
das Hotelzimmer nicht mehr zu verlassen.

Der Sand bleibt als Erinnerung.
Das Öl auch.

Und die Gewissheit,
dass manchmal die besten Spiele genau dort anfangen,
wo die Sonne am unbarmherzigsten brennt
und die Hemmungen im Handtuch vergraben liegen.

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