Sehen

Peinlichkeit hoch Sex

Charles Haiku

Der peinlichste Augenblick meines Lebens
ereignete sich an einem verregneten Sonntagnachmittag
in der alten Wohnung meiner Großeltern.

Ich war sechzehn,
hormongesteuert
und allein im Gästezimmer,
während der Rest der Familie unten Kuchen aß.

Die Tür war angelehnt,
ich dachte, sicher genug.

In meiner Hand mein treuer Kumpel,
auf dem Bildschirm des alten Laptops
eine Szene,
die jeden Teenager in Ekstase versetzt.

Der Rhythmus steigerte sich,
der Höhepunkt nahte –
und plötzlich ein Quietschen der Tür.

Da stand sie:
Oma Erna,
mit ihrem geblümten Kleid
und der Brille auf der Nasenspitze.

Sie trug ein Tablett mit Kakao und Keksen.

Ihre Augen weiteten sich,
mein Gesicht wurde tomatenrot.

Ich zog die Decke hoch,
stolperte über Worte:
„Oma, das ist nicht...
ich wollte nur…“

Sie starrte eine Sekunde zu lang auf die Szene,
dann auf mich,
und murmelte etwas von „vergessener Milch“.

Das Tablett klapperte,
sie drehte sich um
und verschwand.

Ich lag da,
schweißgebadet,
überzeugt, dass mein Leben vorbei war.

Stunden verstrichen in Agonie.

Beim Abendessen mied ich ihren Blick,
stocherte im Essen.

Mein Vater plauderte ahnungslos über Fußball.

Dann, als ich aufstand, um abzuhauen,
zog Oma mich in die Küche.

Verschwörerisch,
mit einem Augenzwinkern,
das ich nie vergessen werde:
„Junge, ich erzähl’s deinem Vater nicht.
Jeder Mann braucht seine Geheimnisse.“

Sie tätschelte meine Wange,
als wäre nichts gewesen.

In dem Moment wollte ich im Boden versinken.

Heute, Jahre später,
lache ich darüber –
aber der Schock sitzt tief.

Oma wurde zur unerwarteten Komplizin.

Sie starb vor Kurzem,
und bei der Beerdigung dachte ich:
Danke fürs Schweigen.

Solche Momente machen Familien unsterblich peinlich,
aber auch menschlich.

Wer hat nicht seinen eigenen Horror?

Der Körper verrät uns immer im falschen Augenblick.

Und Großmütter?
Die wissen mehr, als sie zugeben.

Zugriffe gesamt: 18