Sehen
Poesie vs. Börse
Hört mal zu, ihr misstrauischen Geldsäcke,
mit euren skeptischen Blicken, die wie Dolche stechen,
und Portemonnaies, prall gefüllt mit knisternden Scheinen.
Keinen lumpigen Euro will ich von euch erbetteln!
Ein Euro? Ein schlechter Witz, ein Kleingeld-Witzchen,
das man in der Kneipe lacht, bevor die nächste Runde kommt,
bevor der Wirt die Gläser füllt und der Abend weitertobt.
Nein, ich denke größer, weit über eure engen Grenzen hinaus –
wie wär’s mit einer Million, glatt, funkelnd, makellos?
Eine Zahl, die in euren Augen glitzert wie ein Jackpot,
wie die grellen Lichter von Las Vegas, die den Himmel zerreißen.
Das wäre eine Anlage, die sich lohnt, die pulsiert, die lebt!
Keine mickrigen Zinsen, die im Kleingedruckten verkümmern,
kein langweiliger Aktienfonds, der in Zahlen ertrinkt –
sondern ein Investment in pure, unverfälschte Leidenschaft,
in mich, in Worte, in Feuer, das die Seele entzündet.
Doch ich seh’s schon: Ihr kneift die Augen zusammen,
als hätte ich euch Essig serviert statt prickelndem Champagner.
Ihr denkt, ich schnapp mir eure Kohle, flüchte nach Mallorca,
tanze mit Cocktails im Rausch, bis die Seele aus dem Leib fliegt.
Und warum? Weil kein Armani-Anzug meinen Körper umhüllt,
kein Duft von teurem Aftershave Selbstbewusstsein vortäuscht?
Weil ich kein Business-Kauderwelsch spreche,
das wie ein Betriebswirtschafts-Seminar auf Speed klingt?
Weil kein Doktortitel wie ein goldener Heiligenschein
über meinem Haupt schwebt, um euch zu blenden?
Oder – haltet euch fest – weil Gedichte keine Wertanlage sind?
Ha! Ihr Kurzsichtigen, gefangen in euren Tabellen!
Gedichte sind der Stoff, aus dem Träume gewoben werden,
Funken, die Herzen in Flammen setzen,
während eure Aktienkurse wie Herbstlaub zu Boden segeln,
leise, bedeutungslos, im Wind der Vergänglichkeit.
Ich biete euch Poesie, verdammt nochmal,
die Währung der Seele, die Wärme des Lebens!
Doch ihr starrt mich an, als wär’ ich ein fliegender Händler,
ein zwielichtiger Typ mit einem Koffer voller kaputter Uhren.
Vielleicht liegt’s daran, dass ihr in euren sterilen Büros,
in klimanisierten Konferenzräumen mit Neonlicht,
vergessen habt, wie man träumt, wie man atmet, wie man fühlt.
Also, was soll’s? Behaltet eure glänzende Million,
kauft euch noch einen SUV, protzig und leer,
oder Aktien von irgendwas mit „Tech“ im Namen,
das morgen schon veraltet ist, wie eure starren Blicke.
Ich bleibe bei meinen Versen, bei Worten, die fliegen,
die mehr wert sind als eure ganze Börse,
als all eure Zahlen, die in der Kälte der Bilanzen erstarren.
Poesie lebt, sie atmet, sie singt –
während eure Welt in grauen Zahlen versinkt.