Sehen

Rasur

Luiz Goldberg

Der Schaum kribbelt in der Nase.
Ein weißes, fast unschuldiges Brennen, das mich daran erinnert, dass ich Haut habe.
Die Klinge glänzt matt, stumpf vom Gestern, doch scharf genug, um die Gegenwart zu spalten.
Vorsicht, sage ich mir. Vorsicht, da könnte ich mich schneiden.
Ein dünner Gedanke zieht vorbei: Schnittstellen. Verletzungen. Übergänge.
Sie mochte es, wenn ich mich rasierte. Erotisch, sagte sie einmal und legte den Kopf schräg,
als würde sie versuchen, das Geheimnis in meinem Gesicht zu sehen.
Warum? fragte ich nicht laut. Fragte nur innerlich, leise, ohne Stimme.
Vielleicht war es das Versprechen des Glattseins, der Neuanfang, die Idee,
dass unter dem Stoppelfeld ein anderer Mann wartete.
Vielleicht auch nur die Lust an der Kante, an der Gefahr, dass Blut kommt.
Nicht gegen den Strich, rät die Erinnerung. Aber das Haar protestiert,
es richtet sich auf, duckt sich vor der Klinge weg,
kommt zurück, störrisch wie ein Gedanke, der nicht gehen will.
Ich ziehe die Lippe schief, ziehe das Messer darüber,
höre das leise Kratzen wie ein fernes Tier im Unterholz.
Manchmal lacht mich mein eigenes Gesicht aus.
So ein widerständiges Terrain. So ein trotziges Land.
Frauenkörper, enthaart, glatt, glänzend — man hat uns beigebracht, das erotisch zu finden.
Eine rasierte Scham, eine blanke Achsel, ein Versprechen von Nähe ohne Störung.
Aber ein Mann, der sich rasiert?
Keine Pose, kein Bild, keine Werbung kann das retten.
Es ist ein einsamer Akt. Fast komisch. Fast traurig.
Vielleicht ist es gerade das, was sie sah:
den Mann, der allein ist mit seiner Klinge und seinem Spiegel.
Mist, denke ich. Mistikack.
Hängengeblieben an vergangenen Zeiten, an einem Stückchen Haut,
das heute kein Echo mehr hat.
Ich schneide mich doch. Natürlich.
Ein kleiner roter Punkt blüht auf, winzig und triumphierend.
Toilettenpapier, gefaltet, draufgedrückt.
Eine Fahne der Niederlage, klebt an meiner Wange.
Der Spiegel schweigt, kalt.
Und plötzlich spüre ich das Blut warm unter dem Papier,
einen Herzschlag lang bin ich ganz da, verletzlich, lebendig.
Nur ich, rasiert, geschnitten,
mit einer Erinnerung an eine längst vergangene Frau.

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