Sehen
Schlachtfeld der Liebe
Ach, diese liebreizenden Wesen,
die uns Männer mit einem einzigen Blick
in die Tiefen der Verzweiflung stürzen können.
Kaum betrete ich die heiligen Hallen
unseres gemeinsamen Reiches,
schlägt mir die warme Welle der Zuneigung entgegen –
verpackt in Vorwürfen,
die schärfer sind als ein frisch geschliffenes Küchenmesser.
„Pinkel nicht im Stehen!“
brüllt es aus dem Wohnzimmer,
während ich gerade die letzten Tropfen der Freiheit
in die Kloschüssel schüttle.
Klar, Liebes,
weil ja bekanntlich jeder Mann, der im Stehen pisst,
direkt ein Barbar ist,
der mit dem Schwanz wedelnd durch die Steinzeit rennt.
Dabei ist das doch pure Effizienz:
Multitasking auf höchstem Niveau –
eine Hand am Zipfel,
die andere schon am Kühlschrankgriff
für das wohlverdiente Bier danach.
Kaum sind die Schuhe an der Tür,
kommt der nächste Schlag:
„Zieh die Schuhe aus!“
Als wäre der Boden aus purem Gold
und nicht aus diesem billigen Laminat,
das wir uns vor fünf Jahren im Angebot geholt haben,
weil „das reicht doch für die nächsten zwanzig Jahre“.
Zwanzig Jahre?
In dieser Beziehung fühlt sich jede Woche
schon wie ein Jahrzehnt an.
Dann der Klassiker:
„Du hast den Geschirrspüler wieder nicht richtig eingeräumt!“
Richtig?
Es gibt ein richtig?
Für mich ist „reingestopft und läuft“
die Definition von Perfektion.
Aber nein, Madame hat ein System.
Teller links, Gläser rechts,
Besteck in kleinen Käfigen sortiert
wie in einem Luxusknast für Löffel.
Ich bin Ingenieur, verdammt,
ich baue Brücken in meinem Kopf –
aber diesen Geschirrspüler zu bezwingen,
das ist höhere Mathematik,
die selbst Einstein zur Verzweiflung gebracht hätte.
„Und die Wäsche muss noch aufgehängt werden!“
Natürlich.
Weil ich ja nichts Besseres zu tun habe,
als nasse Socken in Reih und Glied zu hängen
wie Soldaten auf dem Appellplatz.
Dabei trocknet das Zeug doch auch im Trockner –
aber nein, der verbraucht Strom,
und Strom kostet Geld,
und Geld verdiene ja angeblich ich.
„Bringst du den Hund runter?“
Der Hund.
Dieses zottelige Monster,
das sie sich gewünscht hat,
weil „ein Hund macht das Zuhause erst komplett“.
Klar, komplett mit Scheiße im Flur
und Haaren auf dem Sofa.
Aber wenn ich mal fünf Minuten Ruhe haben will,
muss ich natürlich derjenige sein,
der mit dem Vieh in die Kälte geht,
während sie sich mit einem Glas Rotwein auf die Couch fläzt
und Serien guckt,
in denen alle Männer Arschlöcher sind –
außer den heißen Vampiren natürlich.
Ihr Mundwerk rattert ununterbrochen
wie eine defekte Nähmaschine auf Speed.
Jeder meiner Schritte wird kommentiert,
jede Entscheidung infrage gestellt,
jede noch so kleine Unordnung
zur Staatsaffäre hochstilisiert.
Und ich?
Ich stehe da mit hängenden Schultern
und frage mich leise:
Wer bringt eigentlich das Geld nach Hause?
Wer schuftet acht Stunden am Tag,
kämpft mit Chefs, die noch nerviger sind als sie,
und kommt dann heim in dieses Minenfeld aus Vorwürfen?
Früher war Liebe wild, leidenschaftlich,
ein Tanz nackter Körper unter dem Mond.
Heute ist Liebe ein Putzplan,
ein Excel-Sheet mit Aufgabenverteilung
und ein ständiges „Hast du schon...?“.
Irgendwann wird aus dem „Ich liebe dich“
ein „Ich ertrage dich noch“.
Und aus dem Mann, der sie einst auf Händen trug,
ein müder Packesel,
der nur noch träumt von einer Wohnung,
in der er im Stehen pinkeln darf,
ohne dass die Welt untergeht.
Aber hey, wenigstens haben wir uns.
Und den Hund.
Und den Geschirrspüler.
Und die ewige Haushaltsnörgelei –
das wahre Kleben, das eine Ehe zusammenhält.
Denn ohne sie wäre ja alles viel zu harmonisch.
Und Harmonie?
Die ist was für Langweiler.