Sehen
So geht die Stufenleiter zur Ekstase
Alles beginnt ganz harmlos,
fast wie ein Sonntagmorgen im Bett.
Knutschelippen.
Nicht diese hektischen Teenager-Küsse,
bei denen man Angst hat, die Zunge wird abgebissen,
sondern das langsame, feuchte Spiel,
bei dem man sich erst einmal wieder riecht, schmeckt, erinnert:
Ach ja, genau so schmeckt meine Frau, mein Mann, mein Mensch.
Die Lippen werden weicher,
die Zungen fauler,
und plötzlich ist da dieses leise Saugen an der Unterlippe,
das direkt in den Unterleib zieht.
Dann kommen die Streicheleinheiten.
Finger, die erst über Wangen fahren,
dann über den Hals, die Schultern,
als wollten sie prüfen:
Bist du noch derselbe Körper wie gestern?
Die Haut erwacht,
Gänsehaut rennt in Wellen,
und irgendwo zwischen Schlüsselbein und Achselhöhle
passiert es:
Der erste richtige Stich der Lust.
Man spürt ihn im Bauch,
als hätte jemand einen warmen Stein hineingelegt.
Nippelliebkosung.
Jetzt wird es ernst.
Manche Männer lachen erst, weil sie es kitzlig finden –
bis die Zunge kreist
und die Zähne ganz sacht zubeißen.
Plötzlich ist nichts mehr lustig.
Die Brustwarzen stehen wie kleine Soldaten,
und jeder Atemzug fühlt sich an,
als würde Strom durch den Oberkörper gejagt.
Frauen wissen das längst,
Männer entdecken es oft erst spät:
Diese zwei Punkte sind direkt mit dem Schwanz verdrahtet.
Oder mit der Klitoris.
Je nachdem.
Gliedsteife.
Jetzt gibt es kein Zurück.
Er steht, hart, stolz,
fast ein bisschen beleidigt,
dass man ihn so lange hat warten lassen.
Die Hand umschließt ihn,
erst zart, dann fester,
und man spürt das Pochen,
dieses dumme, ehrliche Herz in der Hose.
Frauen werden feucht,
so nass, dass es an den Oberschenkeln runterläuft –
ein Gefühl, als würde der Körper sagen:
Komm endlich rein, ich bin bereit, ich will dich jetzt.
Oralverkehr.
Der Moment, in dem einer kniet.
Der andere steht oder liegt, je nach Möblierung.
Es ist Demut und Macht zugleich.
Die Zunge umkreist die Eichel,
saugt, lässt los, saugt wieder.
Oder sie teilt die Schamlippen,
findet die Klitoris, diese kleine, freche Perle,
und spielt darauf wie auf einem Instrument.
Es gibt kein schöneres Geräusch
als dieses unterdrückte Stöhnen,
wenn jemand merkt:
Gleich ist es soweit, aber noch nicht, bitte noch nicht.
Vaginadehnung.
Der klassische Akt,
aber jetzt nicht mehr trocken und pflichtbewusst,
sondern nach all dem Vorspiel
glitschig, gierig, laut.
Er gleitet rein,
sie nimmt ihn auf,
als hätte sie nur darauf gewartet.
Die Hüften finden ihren Rhythmus,
erst langsam, dann schneller, dann animalisch.
Man spürt jeden Millimeter,
jeden Stoß, der gegen den Muttermund klopft
wie an eine Tür:
Mach auf, lass mich tiefer.
Analstimulation.
Der Tabubruch.
Ein Finger, erst nur außen, kreisend,
dann vorsichtig rein.
Die meisten Männer zucken zusammen –
und entspannen sich dann doch.
Weil es sich plötzlich anfühlt,
als würde jemand von innen an der Prostata klopfen
und sagen:
Hallo, ich bin auch noch da.
Frauen, die das schon kennen, grinsen nur:
Willkommen im Club.
Der Orgasmus, der sich jetzt aufbaut,
ist anders. Tiefer. Länger. Gefährlicher.
Doppelpenetration.
Jetzt wird es voll.
Sie in der Mitte,
er vorne, er hinten,
oder ein Toy, oder Finger –
Hauptsache, sie spürt,
dass sie ausgefüllt ist bis zum Anschlag.
Das Gehirn schaltet ab.
Es gibt nur noch diesen Druck, diese Reibung,
dieses Gefühl, gleichzeitig genommen und gegeben zu werden.
Manche schreien, manche beißen ins Kissen,
manche lachen, weil es zu viel ist und genau richtig.
Spritzfontänen.
Der Höhepunkt.
Nicht dieses leise Tröpfeln,
sondern das richtige, dreckige Abspritzen.
Er zieht raus und spritzt über Bauch, Brüste, Gesicht –
oder bleibt drin und pumpt alles in sie hinein,
dass es hinten wieder rausläuft.
Sie kommt gleichzeitig,
zieht sich zusammen, melkt ihn,
als wollte sie sagen:
Gib mir alles, ich will alles.
Der Raum riecht nach Sex, Schweiß, Glück.
Und dann?
Dann geht es weiter.
Denn wer einmal die ganze Leiter hochgeklettert ist,
will nicht wieder runter.
Man dreht sich um, fängt neu an,
diesmal langsamer, schmutziger,
mit mehr Zunge im Arsch,
mit Fingern in beiden Löchern,
mit Spielzeug, mit Worten,
mit allem, was die Schublade hergibt.
Die Ekstase hat keine oberste Stufe.
Sie hat nur ein „Nochmal“.
Und ein „Tiefer“.
Und ein „Härter“.
Wer jetzt noch fragt, ob das alles normal sei –
der hat offensichtlich noch nie richtig gefickt.