Sehen

Stolz im Müll

Luiz Goldberg

Die Stadt atmet Zigarettenrauch,
ein grauer Schleier, der sich in die Lunge schleicht,
mischt sich mit dem Gerede, das von den Tischen tropft,
Worte, zerfranst wie die Ränder der Nacht.
Kaffee, frisch gemahlen, steigt in die Nase,
ein warmer Hauch, der den Straßenlärm übertönt –
Hupen, schrill und fern,
Hunde, die in die Dunkelheit bellen,
als wollten sie die Sterne herunterreißen.

Die Bedienungen hasten,
Tassen klirren, ihre Blicke sind Messer,
schnell, scharf, ungeduldig.
„Noch ein Espresso!“, ruft jemand,
aber die Worte verwehen,
zerfasern im Wind,
der durch die Gassen zieht,
lau wie ein Gedanke, der nicht bleiben will.

Da steht sie,
eine Gestalt,
wie aus einem anderen Kapitel der Stadt.
Ihr Geruch sticht, ungewaschen,
als hätte die Zeit sie in Fetzen gekleidet.
Der Mantel, löchrig,
die Schuhe, schiefgelaufen,
und doch bewegt sie sich,
als gehörte die Straße ihr allein.
Sie wühlt im Müll,
zieht Flaschen hervor,
leere Hülsen der Nacht,
und stapelt sie in einen Sack,
den sie über die Schulter wirft,
als wäre es ein Königsmantel.

Die Gäste starren,
schräg, misstrauisch,
ihre Blicke wie Nadeln,
doch sie sieht durch sie hindurch.
Ein Paar, neugierig wie Kinder,
flüstert hinter vorgehaltener Hand.
Sie hebt den Kopf,
ihre Augen funkeln,
nicht zornig, nicht müde,
sondern klar, wie ein See, der alles spiegelt.
„Ich sorge für meinen eigenen Verdienst“,
sagt sie,
und ihre Stimme schneidet durch den Trubel,
ruhig, fest,
wie ein Stein, der ins Wasser fällt.

Das Paar schweigt,
wendet sich ab,
als hätte sie die Welt entlarvt.
Die Gestalt sortiert weiter,
Flasche um Flasche,
als wäre der Müll ein Archiv,
eine Chronik der Stadt,
die nur sie lesen kann.
Der Wind wird kälter,
trägt den Kaffeegeruch fort,
die Hunde bellen lauter,
und eine Bedienung zischt:
„Immer diese Störenfriede.“
Doch die Gestalt lächelt,
ein schmales, geheimes Lächeln,
schultert den Sack
und verschwindet in der Gasse,
wo der Lärm sich legt,
wie ein Vorhang, der fällt.

Später,
als die Dämmerung die Stadt in Blau taucht,
sitze ich noch da,
die Tasse kalt,
der Rauch verblasst.
Die Wortfetzen sind leiser geworden,
wie ein Radio, das man abdreht.
Ich denke an sie,
an ihren Stolz,
der wie ein Schild ist,
unsichtbar, aber schwer.
Vielleicht ist das der Trick,
den die Stadt nicht verrät:
Dass man sich selbst genügt,
wenn man den Blick hebt,
die Flaschen zählt,
und weitergeht,
auch wenn die Welt zusieht,
mit ihren schrägen, misstrauischen Augen.

Die Nacht kommt,
die Lichter flackern,
und irgendwo,
in einer anderen Gasse,
hört man vielleicht ihren Schritt,
leicht, trotz des Sacks,
der schwer auf ihren Schultern liegt.
Die Stadt redet weiter,
aber sie,
sie hat ihre eigene Sprache gefunden,
eine, die nicht in den Rauch steigt,
nicht in den Lärm fällt,
sondern bleibt,
wie ein Lied,
das niemand singt,
aber jeder hört.

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