Sehen

Traum 5: Meeresrauschen

André Pfoertner

Als sie am Strand entlang gegangen -
Im Mantel, im Langen.
Der Himmel war verhangen.
Sie spürte erste Tropfen auf der Haut -
Das Zucken der Windsbraut
Und ihr tobendes Verlangen.
Geweitet war ihre Pupille
Und sie starrte wie gebannt in diese Fülle;
Im Regen gaben ihre roten Lippen weithin ein Signal -
Der Elemente Rührung kam mit einem Mal.
In der Luft lag etwas Feuchtes
Und genau dies Feuchte bräucht' es,
Um den Schoß der Erde zu beleben.
Danach schien alles zu streben.
Sie fühlte Urkraft sich durchdringen,
Elemente miteinander ringen,
Eiskalt mit weißglühend heiß,
Nachtschwarz mit grellgleißend weiß.
Salz auf ihrer Haut und Meeresrauschen;
Schäumen, Prickeln und Berauschen.
Ihre Füße hinterließen Spur'n im Sand -
Abdruck ihrer zarten Zehen,
Den Meereswind und Wellenbrand
Im rauhen Klima bald verwehen;
Doch die Erinnerung blieb stehen.
Die Tropfen schwebten, spritzten, sprühten,
Ihre Lippen bebten, blitzten, glühten
Gleich einem Leuchtturm, der mich führte,
Weil das Besondere in ihr ich spürte:
Ich, der Fliegende Holländer.
- Kennt sie ihn? -
Riefe man nach ihm, verschwänd' er
Wie ein Gedanke,
Der immer wiederkehrend
Inn're Seelenruhe störend
Und das kranke Hirn durchtösend
Harrend ihrer Tat:
Der Liebe, welche ihn erlösend.

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