Sehen
TV-Stumpfsinn
Der Bildschirm glüht,
ein Moderator
mit gebleachtem Lächeln
und künstlichem Feuer im Blick.
„Heute: Der große Auftritt!
Wer wird der Star,
der alle blamiert?“
Das Publikum tobt,
Zähne funkeln
wie billige Juwelen.
Sie lechzen nach dem Schauspiel:
Kandidaten,
die sich entblößen,
springen wie Marionetten,
quieken falsch,
nur um Beifall zu erhaschen.
Eine Frau betritt die Bühne,
Möchtegern-Diva
mit aufgespritzten Lippen
und falschen Wimpern.
Sie jagt dem Ruhm nach,
stolpert über ihre eigenen Lügen.
Der Moderator grinst,
das Publikum lacht schallend.
„Gib uns dein Innerstes –
oder was du dafür hältst!“
Sie zappelt,
plappert von Sehnsüchten,
die niemand ernst nimmt.
Das Lächeln erstarrt,
wird zur Fratze.
Ich hocke davor,
mein eigenes Lachen verblasst.
Diese Kette der Täuschung:
Moderator täuscht die Kandidatin,
Publikum täuscht sich selbst,
alle hungern nach dem nächsten Trottel.
Ruhm?
Ein hohler Kelch,
gefüllt mit Galle.
Die Sendung endet,
Bild aus.
Morgen wieder dasselbe.
Reiner Stumpfsinn,
und ich gaffe weiter.
Diese Shows sind der Gipfel der Verdummung.
Früher gab's Zirkus
mit Clowns,
die Eimer Wasser über den Kopf kippten –
ehrlich,
direkt.
Heute?
Virtuelle Arenen,
wo Menschen sich freiwillig zerfleischen.
Die Kandidatin singt schief,
der Juror zerlegt sie
mit Worten schärfer als Messer.
„Zu dick,
zu alt,
zu dumm!“
Das Volk applaudiert,
fühlt sich überlegen.
Zu Hause vor dem Fernseher,
Chips in der Hand,
Bier im Bauch.
Sie sind die wahren Stars –
der Faulheit.
Denk an die alten Zeiten:
Gladiatoren kämpften
um Leben und Tod,
das Publikum brüllte „Daumen runter!“
Heute Daumen hoch
für Likes.
Dieselbe Gier,
nur digital.
Der Moderator,
ein moderner Kaiser,
entscheidet über Schicksale.
Er lacht,
weil sein Gehalt steigt,
je tiefer der Fall.
Die Kandidatin weint,
wird viral,
ein Meme für eine Woche.
Dann vergessen,
weggeworfen
wie alter Müll.
Und wir?
Wir schlucken es.
Abends,
nach der Arbeit,
lassen wir uns berieseln.
Kein Buch,
kein Gespräch,
nur Flimmern.
Der Stumpfsinn sickert ein,
macht uns träge.
Kinder lernen:
Ruhm kommt durch Blamage.
Erwachsene ahmen nach:
Selfies im Bad,
Posen wie Idioten.
Die Gesellschaft verblödet kollektiv.
Stell dir vor,
ein Kandidat rebelliert.
Steht auf,
pisst auf die Bühne.
„Das ist euer Ruhm –
Pisse!“
Das Publikum würde toben,
nicht vor Wut,
vor Ekstase.
Skandal!
Quoten!
Aber nein,
sie ducken sich,
singen weiter.
Dressierte Hunde.
Ich schalte um,
lande bei Werbung:
Perfekte Körper,
perfektes Leben.
Kaufe dies,
werde jenes.
Lügenberg.
Der Stumpfsinn ist systemisch.
Medien pumpen uns voll
mit Nichts,
damit wir konsumieren.
Ruhm ist Illusion,
Applaus ist Droge.
Die Kandidatin geht nach Hause,
allein,
gebrochen.
Morgen eine Neue.
Warum schauen wir?
Weil's leicht ist.
Kein Denken,
nur Gaffen.
Wie bei Unfällen am Straßenrand.
Menschliche Schwäche fasziniert.
Der Moderator weiß das,
reibt Salz in Wunden.
„Noch ein Versuch!“
Sie versucht,
scheitert grandios.
Jubel.
Am Ende:
Alle verlieren.
Kandidatin den Restwürde,
Publikum die Zeit,
Moderator die Seele –
falls er eine hat.
Der Sender kassiert.
Stumpfsinn siegt.
Und ich?
Ich starre weiter,
gefangen im Kreislauf.
Morgen dasselbe.
Oder doch abschalten?
Zu spät,
die nächste Show startet.