Sehen

und dein Leib blieb kalt

Luiz Goldberg

Dein Leib lag da
wie ein ausgeschalteter Kühlschrank –
kalt, glatt,
summend vor unterdrückter Energie,
die sich einfach nicht auf mich übertrug.

Ich kroch über dich,
leckte, knetete, stieß zu,
als wollte ich ein Schloss knacken,
aber das Tor blieb zu,
das Schloss rostig,
der Schlüssel verbogen.

Deine Brust hob und senkte sich mechanisch,
als würdest du eine Rolle spielen,
die dir irgendwann mal jemand aufgeschwatzt hatte:
die begehrenswerte Frau.

Doch zwischen deinen Beinen
war nichts als trockene Höflichkeit,
ein höfliches „Bitte nicht stören“
in Form von fest zusammengepressten Schenkeln.

Ich versuchte es mit allem,
was man so versucht, wenn man verzweifelt ist:
mit Zunge, mit Fingern,
mit diesem dümmlichen Gefummel,
das in Pornos immer funktioniert.

Nichts.
Kein Seufzer, kein Zucken,
kein winziger Tropfen Verrat,
der mir gezeigt hätte: hier wohnt noch jemand.

Stattdessen schauten wir uns an
wie zwei Leute, die gemeinsam im Fahrstuhl steckengeblieben sind
und nicht wissen,
ob sie jetzt Smalltalk machen
oder einfach warten sollen,
bis die Technik wieder gnädig ist.

Die Schuldfrage hing schwer in der Luft,
dicker als der Geruch
nach abgestandenem Parfüm und Enttäuschung.

War es mein Schwanz,
der heute nur halbe Sachen machte?
War es dein Kopf,
der irgendwo zwischen Rechnungen, Kindern
und der Frage „Was koche ich morgen?“ festhing?

Oder war es einfach die alte Erkenntnis,
dass man sich irgendwann gegenseitig abgenutzt hat
wie ein Paar Schuhe,
das man viel zu lange trägt,
weil neue zu teuer sind?

Irgendwann lagen wir einfach da,
nackt, aber angezogen mit Schweigen.

Deine Hand ruhte auf meinem Bauch –
nicht zärtlich,
eher wie ein Parkschein,
der signalisiert: ich war hier, ich bin weg.

Ich starrte an die Decke
und dachte:
Vielleicht liegt die Lust wirklich
in der Schublade des Nachtkästchens.

Zwischen den Kondomen mit Geschmack,
dem Gleitgel, das wir nie benutzen,
und dem Vibrator,
der schon seit Jahren Staub ansetzt,
weil keiner von uns beiden will zugeben,
dass wir ihn bräuchten.

Wir könnten ihn rausholen, klar.
Einschalten.
Zusehen, wie er summt und tanzt
und tut, was wir längst verlernt haben.

Aber das wäre ja Betrug.
An wem eigentlich?
An uns?
An der Idee, dass es früher mal ohne Hilfsmittel ging?
An dem Märchen, dass Liebe und Geilheit ein und dasselbe wären?

Also blieben wir liegen.
Zwei Körper, ein Bett, null Spannung.

Draußen fuhr ein Auto vorbei,
irgendwo bellte ein Hund,
und ich dachte kurz daran,
mir einen runterzuholen – einfach so, aus Prinzip.

Hab’s dann doch nicht gemacht.
Man will ja nicht unhöflich sein.

Am Ende hast du dich weggedreht.
Ich habe das Licht ausgemacht.

Und irgendwo zwischen dem letzten Atemzug
und dem ersten Schnarchen dachte ich:

Vielleicht ist das ja der neue Sex –
dieses stille, zivile Scheitern.

Kein Geschrei, kein Drama,
nur das leise Knirschen von Zähnen,
die sich wünschen,
sie hätten sich nie kennengelernt.

Morgen versuchen wir’s nochmal.
Oder auch nicht.

Die Schublade bleibt erst mal zu.
Schließlich sind wir ja zivilisierte Menschen.

Und zivilisierte Menschen vögeln nicht aus Verzweiflung.
Die warten, bis die Lust von allein kommt.

Oder bis einer von uns endlich den Mut hat,
die Schublade aufzuziehen
und zu sagen:
Scheiß drauf, lass uns den Plastikkerl ranlassen.

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