Sehen
Von nix kommt nix
Ja muss denn das sein?
Ich frage es mich immer wieder.
Städtisches Schwimmbad,
Freitagnachmittag 16 Uhr.
An den Anblick der dicken Kinder
kann ich mich nur schwerlich gewöhnen –
doch dies ist ein Thema,
das an anderer Stelle Platz finden muss.
Was meinen Augen weitaus größere Schmerzen bereitet,
ist der Anblick der dicken Erwachsenen.
Stopp!
Bevor jetzt Proteste auf mich einstürzen,
ich hätte etwas gegen Dicke:
dem ist nicht so.
Jeder nach seiner Facon.
Wogegen ich allerdings etwas habe,
sind die übertrieben knappen Bikinis,
die diese viel zu großen Hintern
in nicht ausreichendem Maße bedecken.
Erotik pur...
Ich könnt’ mich schütteln.
Vor allem nach einem langen Winter –
noch etwas mehr Hüftgold,
strahlend weiße Haut,
unrasierte Bikinizonen,
wucherndes Achselhaar.
Ja, da kann man schon auf dumme Gedanken kommen.
Flucht!
Ich bin besessen von diesem Gedanken.
Doch meine Kinder würden mir einen Vogel zeigen,
wenn ich ihnen erklärte,
warum sie sich schon wieder anziehen müssten.
Also halte ich durch.
Ich suche mir eine freie Liege,
drapiere diverse Handtücher drüber
(wer weiß, welcher „wohlgeformte“ Körper
hier schon vor sich hin getropft hat),
nehme mir mein Buch zur Hand
und versuche in eine andere Welt abzutauchen.
Hin und wieder halte ich Ausschau
nach meiner Rasselbande.
Dieses Mal bleibt mein Blick unweigerlich
an einem voluminösen Herrn hängen,
der scheinbar eine Badehose
aus der vorletzten Saison trägt.
Die Hose sitzt sehr knapp unter der Bauchfalte
und verhüllt geradeso sein bestes Stück
(sofern er es noch als solches finden kann).
Wie ein eitler Pfau marschiert er an mir vorbei.
Zieht er tatsächlich seinen Bauch ein?
Nicht, dass es etwas gebracht hätte.
Ich muss an die Werbung denken,
wo so ein Machotyp mit nach hinten gegelten Haaren
die Luft bis zum nahenden Herztod anhält,
nur um bei zwei superschlanken Badenixen
Eindruck zu schinden.
Aber – ich schweife ab.
Mein Körper überzieht sich mit einer eindrucksvollen „Entenpelle“,
als der Pfau endlich an mir vorüber ist
und ich ihm zwanghaft hinterher sehe.
Ich hätte es lassen sollen.
Wirklich.
Der halbe Arsch guckt aus der viel zu kleinen Badehose.
Ein Dilemma, ich weiß.
Denn hätte er versucht sie höher zu ziehen,
wäre das „Arsch-frisst-Hose-Prinzip“
zu einem schwerwiegenden Problem geworden.
Ich gebe zu,
manchmal kann das ja ein ganz niedlicher –
bisweilen erotischer – Hingucker sein,
wenn sich eine Frau
in einem vermeintlich unbeobachteten Moment
etwas genant den Stoff aus der Ritze fummelt.
Vor allem bei der männlichen Spezies
sorgt das regelmäßig für ein wohliges Kribbeln
in der Leistengegend.
Nun ja,
in meiner Leistengegend kribbelt nichts.
Und wenn ich das richtig überblicke,
wird sich daran in der nächsten Zeit
auch nichts ändern – außer...
Außer was?
Ach das!
Träum weiter, Skorpion.
Also lehne ich mich wieder möglichst entspannt zurück,
lausche dem Kreischen der Kinder,
verdränge aus Hose der rutschende Ärsche
und Nippelalarm verursachende Bikini-Oberteile
aus meinem Hirn
und widme mich wieder dem aufregenden Sexualleben
von „Marsha Mellow“,
versinke,
blende aus...
noch eine Stunde.