Sehen
wand an wand wohnen wir
Wand an Wand wohnen wir
in diesem Block aus Beton.
Die Miete ist niedrig,
die Wände dünn.
Nachts höre ich dein Atmen
durch den Putz sickern,
gleichmäßig,
wie ein Rhythmus, der nicht aufhört.
Es dringt ein,
mischt sich mit dem Summen der Neonröhre im Flur.
Dein Bett steht direkt gegenüber von meinem,
nur Zentimeter entfernt,
getrennt von Schichten aus Gips und Draht.
Ich liege da,
starre an die Decke,
und dein Husten hallt
wie ein Echo in meiner Kammer wider.
Wand an Wand essen wir.
Dein Besteck klirrt gegen Porzellan,
wenn ich meinen Teller absetze.
Der Geruch deines Essens zieht durch Ritzen,
würzig, scharf.
Ich koche dasselbe, aus Dosen,
um den Duft zu überlagern,
aber er bleibt hängen.
Tagsüber tippst du auf Tasten,
ein monotones Klacken,
während ich blättere, Seiten umschlage.
Deine Schritte knarren auf dem Boden,
synchron zu meinen,
als ob wir denselben Raum teilen,
ohne uns zu berühren.
Wand an Wand duschen wir.
Wasser prasselt, rinnt ab,
und ich stelle mir vor,
wie es über Haut läuft.
Das Rauschen wird lauter,
wenn du singst, bruchstückhaft,
Worte, die ich nicht verstehe.
Mein Wasser läuft kalt, deins heiß,
Dampf kondensiert an der Trennwand,
macht Flecken.
Ich presse die Handfläche dagegen,
spüre die Vibration,
als ob Wärme durchdringt.
Wand an Wand schlafen wir ein.
Dein Bett quietscht,
wenn du dich drehst,
ein Quietschen, das in meinem Rahmen nachhallt.
Träume sickern nicht durch,
aber Geräusche tun es:
Seufzer, Murmeln im Halbschlaf.
Einmal ein Stöhnen, tief,
das mich wachrüttelt.
Ich lausche, atme mit,
aber es bleibt fern, isoliert.
Wand an Wand leben wir unsere Leben,
parallel, berührungslos.
Du gehst aus, Tür knallt, ich bleibe.
Deine Besucher lachen, flüstern,
während ich allein sitze.
Welten trennen uns,
obwohl nur Millimeter dazwischen liegen.
Ich klopfe nie, du auch nicht.
Die Wand bleibt stumm,
teilt alles, verbindet nichts.