Sehen

Warum bin ich nur so inkonsequent

Luiz Goldberg

Diese Stadt ist eine verdammte Zumutung.

Die U-Bahn riecht nach Pisse und kaltem Rauch,
die Mieten fressen dir die Seele aus dem Leib,
und im Winter frieren einem die Eier ab,
bevor man überhaupt die Haustür hinter sich zuschlägt.

Jeden März schwöre ich mir:
Das war’s.
Koffer packen,
ab nach München,
Hamburg,
meinetwegen nach Lissabon,
irgendwohin,
wo die Leute nicht so tun,
als wäre Arroganz eine Tugend
und Lächeln ein Kapitalverbrechen.

Aber dann kommt der Mai.

Plötzlich ist die Luft weich
wie frisch gewaschene Bettwäsche,
die Sonne knallt auf die Gehsteige,
und auf einmal laufen sie alle rum:
die Frauen von Berlin.

Keine Models,
keine Influencerinnen mit Filter-Gesichtern,
nein, echte Grazien.

Lange Beine in kurzen Röcken,
die sich bei jedem Schritt ein Stück höher schieben,
als wollten sie sagen:
Schau her, du Trottel,
genau deshalb bleibst du ja.

Halb nackt unter dem Stoff,
Haut, die noch nach Winterschlaf riecht,
aber schon nach Sommer schreit.

Man sieht Schenkel,
die man sofort ablecken möchte,
und darunter das Versprechen,
dass irgendwo da oben das Paradies beginnt,
oder zumindest ein schneller Fick im Hausflur,
weil keiner von beiden es bis zur Wohnung schafft.

Und plötzlich ist alles egal.

Die beschissene Miete?
Geschenkt.

Die arroganten Kellner?
Süß.

Selbst die Tauben auf Alexanderplatz
wirken auf einmal wie geile kleine Voyeure,
die nur darauf warten,
dass irgendwo ein Rock hochfliegt.

Ich bleibe.
Wieder ein Jahr.
Wieder ein Sommer voller kurzer Röcke,
langer Nächte
und dem festen Vorsatz,
nächstes Jahr wirklich zu gehen,
spätestens im September,
wenn die Beine wieder in Strumpfhosen verschwinden
und Berlin wieder das kalte, zynische Arschloch wird,
das es eigentlich immer ist.

Aber wir wissen beide, wie das ausgeht.

Im Mai werde ich wieder durch Kreuzberg laufen,
einen Kaffee in der Hand,
einen Ständer in der Hose
und ein dämliches Grinsen im Gesicht.

Denn diese Stadt ist Scheiße.

Aber ihre Frauen im Mai,
die sind jeden beschissenen Quadratmeter wert.

Bleibt nur die Frage:
Bin ich inkonsequent,
oder einfach nur geil und ehrlich?

Ich fürchte, beides.

Und das ist Berlin in einem Satz.

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