Sehen
Wir kochen uns den Frühling selbst
Komm, wir kochen uns den Frühling selbst,
mit ruhiger Hand, im Schweigen der Dinge,
wo die Welt sich in einem Topf verdichtet.
Ein großer Topf, schwer, aus Gusseisen,
wie ihn die Großmutter auf den Herd hob,
Wasser, klar wie der Morgen, gluckert hinein,
aus der Quelle des Vergessens,
aus dem Brunnen der Zeit, der nie versiegt.
Den März, ja, den März,
schneiden wir als Zwiebel,
schichtweise, scharf, mit Tränen in den Augen,
jede Schale ein Tag, der sich löst,
jede Träne ein Windstoß, der die Knospen weckt.
Die Klinge gleitet, präzise, ohne Hast,
und die Zwiebel fällt, weich, in den Topf,
duftend, wie die Erde, die sich öffnet.
Ein Schoppen Wein für den April,
rot wie die Dämmerung, die sich neigt,
süß wie die Erinnerung an einen Kuss,
der nie stattfand, aber möglich war.
Der Wein gurgelt, spricht seine eigene Sprache,
fließt in den Topf, verbindet sich,
macht den Geschmack rund, weich, lebendig,
wie ein Abend, der sich über die Wiesen legt.
Chili für den Mai, ein Prickeln,
wie das Gras, das unter nackten Füßen kitzelt,
wie die Sonne, die sich durch Wolken bricht,
scharf, aber nicht zu viel, gerade so,
dass das Chillen auf der Wiese
ein Tanz wird, ein Summen,
ein Augenblick, der bleibt,
während die Bienen ihre Kreise ziehen.
Bohnen und Fleisch, das ist der Juni,
erdig, schwer, wie ein Mittag,
der sich über die Felder legt,
wo die Ernte schon in der Luft liegt,
wo die Hände nach Arbeit riechen,
nach Schweiß und Sonne und Staub.
Die Bohnen weich, das Fleisch zart,
alles zusammen ein Versprechen,
dass der Sommer nicht fern ist.
Alles gut umrühren, langsam, bedacht,
mit einem Holzlöffel, der Geschichten kennt,
Geschichten von Küchen, von Händen,
von Tagen, die sich in den Töpfen sammeln.
Ein bisschen köcheln lassen,
nicht zu heiß, nicht zu eilig,
damit der Frühling sich entfalten kann,
wie eine Blüte, die sich dem Licht öffnet.
Und dann, ja, dann,
kommt der Frühling dampfend auf den Tisch,
in einer Schüssel, die nach Heimat riecht,
in einer Stille, die singt,
in einem Raum, wo die Zeit sich setzt,
wo die Löffel klingen, leise, wie Glöckchen,
und jeder Bissen ein Stück Welt ist,
ein Stück Anfang, ein Stück Ewigkeit.
Olé, sagt der Wind, der durchs Fenster zieht,
olé, sagt das Licht, das auf den Tisch fällt,
olé, sagt der Frühling, der in uns wächst.