Sehen
Wir verdampfen im Schnee
Stell dir vor:
minus zwanzig Grad,
die finnische Nacht so klar,
dass man die Milchstraße riecht.
Wir sitzen seit einer Stunde in der Sauna,
nackt, rot, durchgeschwitzt,
das Bier längst lauwarm.
Die Haut brennt,
die Eier hängen tief wie reife Pflaumen.
Kein Wort mehr,
nur das Knistern des Kienspanholzes
und das leise Schmatzen,
wenn sich Schweiß auf den Holzbänken sammelt.
Dann der Sprung.
Die Tür fliegt auf,
arktische Klinge schneidet uns ins Fleisch.
Wir brüllen vor Lust, nicht vor Schmerz,
und werfen uns kopfüber in den unberührten Schnee.
Der Aufprall ist ein Hammerschlag aus Kälte,
der jeden Gedanken auslöscht.
Der Schnee zischt.
Wir verdampfen ihn mit unserer Hitze,
als wären wir lebendige Dampfloks.
Die Körper dampfen tatsächlich,
richtige weiße Fahnen steigen
von Rücken, Arsch, Brüsten auf,
als würde die Sauna uns von innen weiterheizen.
Wir wälzen uns,
küssen uns gierig,
Schnee klebt in den Haaren,
in den Schamhaaren,
schmilzt auf Zungen.
Keine Vorsicht, kein „ist das hygienisch“.
Nur Haut auf Eis,
Lippen auf Eis,
Schwanz auf Eis.
Die Kälte macht alles empfindlich bis zur Schmerzgrenze
und gleichzeitig geil bis zur Besinnungslosigkeit.
Der Schnee schmilzt zwischen ihren Beinen,
zwischen meinen,
bildet kleine Seen,
in denen sich das Nordlicht spiegelt.
Sie setzt sich rittlings auf mich,
der Schnee knirscht unter meinem Rücken,
ihr Atem dampft mir direkt ins Gesicht.
Ich spüre,
wie sich ihr Inneres trotz der Kälte sofort wieder öffnet,
als hätte die Hitze der Sauna sich dort konzentriert.
Wir vögeln im Schnee,
langsam erst, dann wie Besessene.
Jeder Stoß erzeugt eine neue Dampfwolke,
als würden wir den Winter ficken,
bis er kapituliert.
Der Orgasmus kommt gleichzeitig,
ein gemeinsamer Schrei,
der die Rentiere irgendwo in der Ferne scheu macht.
Wir spritzen unseren Samen und ihren Saft in den Schnee,
der sofort gefriert,
kleine glitzernde Skulpturen unserer Geilheit.
Danach liegen wir einfach da,
dampfend, lachend,
halb erfroren, halb verbrannt.
Der Schnee um uns herum
ist eine kreisrunde Mulde aus geschmolzenem Eis,
ein dampfendes Bett,
das wir uns selbst gebaut haben.
Wir sind die einzigen Lebewesen weit und breit,
die es schaffen,
minus zwanzig Grad in pure, schweißtreibende Wollust zu verwandeln.
Und wenn uns später jemand fragt,
warum wir das machen,
sagen wir nur:
Weil man nur einmal im Leben die Chance hat,
den Winter persönlich zum Schmelzen zu bringen.
Mit nichts als Haut, Mut
und einem Partner,
der genauso verrückt ist wie man selbst.