Sehen

Zeitentanz

Charles Haiku

Die Jahre sind ins Land gezogen, still und schnell,
Mit einer Geschwindigkeit, die mein Selbst erfasst,
In schwindeligen Taumel, unruhig und wild,
Wie ein Kreisel, der wirbelt und bald zu Fall kommt.
Und je länger ich weile auf dieser weiten Welt,
Desto rascher vergeht ein Jahr in flücht'gem Lauf.
Doch blicke ich hin in den Spiegel, klar und treu,
Kann ich aufatmen tief, mit erleichtertem Sinn.
Mein Haar ist noch voll, nicht ergraut in der Zeit,
Kaum Falten im Antlitz, die Spuren des Alters.
Auch wenn ich nicht mehr wie mit zwanzig wirke jung,
In meinem Innern bin ich noch wie damals frisch.
Mit mehr Erfahrung nun, die Weisheit mir schenkt,
Allein, das ungestüme Feuer der Jugend fehlt.
Heute setz ich meine Schritte mit klugem Bedacht,
Nicht aus Furcht vor dem Fall, nein, aus reifer Sicht.
Denn Stress zu meiden, wo ich kann, das ist klug,
Aus Erfahrung geboren, die lehrt und bewahrt.
Das ist mein Geheimnis, warum ich nicht greis wirk,
Nicht welk und gebückt, wie so mancher im Alter.
Aber es ist auch ein Problem, das mich plagt,
Ein Schatten, der folgt in des Lebens Gewirr.
Mein Auge ruht gerne auf jungen Frauen hold,
Auf denen, die noch ihr ganz Leben vor sich sehn.
Und eine Familie gründen könnten sie leicht,
Mit Kindern, die lachen und Zukunft verheißen.
Doch mich verfolgen alte Weiber, grau und alt,
Mit Haar, das ergraut ist, in Furchen der Zeit.
Zerknitterten Wangen, die hängen und faltenreich,
Gruseligem Aussehen, das Schauder mir weckt.
Aufgedunsenem Körper, der schwer und unförmig,
Und schlechten Zähnen, die lächeln verweigern.
Ich schaue mir ihre Profilphotos an, still,
Und denke mir leise: Was wollt ihr von mir nur?
Das Schlimme ist dies: Vor Jahrzehnten war's umgekehrt,
Da hechelte ich genau diesen Frauen nach.
Da waren sie jung, voll von Anmut und Glanz,
Und ich ein Milchbubi, unsicher und grün.
Für den sie sich nicht interessierten je,
Ihr Blick galt anderen Typen, stark und kühn.
Harten Kerlen, die stolz in der Blüte standen,
Die im Zeitraffer schmolzen, verblassten so schnell.
Und heute am Krückstock sie gehen, gebückt und schwach,
Oder im Altersheim warten auf Erlösung still.
Das Leben ist schon eine verrückte Fahrt,
Ungerecht und wild, in des Schicksals Gewalt.
Es dreht sich im Kreis, was einst fern war, naht nah,
Die Jugend verfliegt, und das Alter umfängt.
Was gestern verachtet, wird heute begehrt,
In iron'schem Spiel, das uns narrt und belügt.
So lerne ich nun, in der Reife des Seins,
Dass Zeit uns verändert, doch Herz bleibt beständig.
Doch bleibt die Frage: Warum jagt das Alte,
Was jung war und fern, nun den Alten wie mich?
Ein Kreislauf der Lust, der uns treibt und verzehrt,
In Ungleichheit gefangen, die niemand entrinnt.
Die Jahre ziehen hin, und wir mittendrin,
In Taumel und Wunder, bis alles vergeht.

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