Sehen

Zwischen Träumen und Irritation

Gernot Schwarm

Die Hütte steht am Waldrand,
aus dunklem Eichenholz gebaut.
Das Dach, von Moos bedeckt,
trägt leise Spuren der Zeit.
Zwei Fenster, klein und schlicht,
lassen Morgenlicht herein.
Es fällt in weichen Streifen
auf den Holzboden, warm und klar.
Maria liegt im schmalen Bett,
die grobe Wolldecke um sich.
Sie öffnet langsam ihre Augen,
das Licht streift ihre Wangen.
Ihr Atem geht ruhig,
ein leises Ein und Aus.
Die Welt ist still,
nur ein Vogel singt fern.
Christian steht am Herd,
gusseisern, schwer und alt.
Eine Kanne Kaffee köchelt,
der Duft steigt langsam auf.
Er rührt mit einem Holzlöffel,
die Bewegungen bedacht.
Sein Leinenhemd, abgenutzt,
hängt locker um die Schultern.
Er dreht sich um,
ihre Blicke treffen sich.
„Guten Morgen, mein Traum“,
sagt er, die Stimme weich.
Maria lächelt still,
ihre Hand streckt sich aus.
Seine Finger, rau und warm,
berühren ihre, leicht.
Der Kaffee dampft in Tassen,
zwei aus Blech, schlicht und grau.
Sie trinken langsam,
Schweigen liegt im Raum.
Die Worte kommen später,
leise, über den Tag.
Christian streichelt ihre Hand,
die aus dem Wollpullover schaut.
Sie treten auf die Veranda,
die Bretter knarren leise.
Ein Kieselpfad führt in den Wald,
die Steine glatt und kühl.
Doch draußen schleicht ein Schatten,
ein Flüstern in den Bäumen.
Der Wind, der eben sanft noch war,
trägt Kälte, scharf und fremd.
Ein Knacken bricht die Stille,
zu nah, zu unbeholfen.
Maria’s Blick wird unruhig,
ihr Lächeln schwindet sacht.
Christian hält die Tasse fester,
sein Blick zum Wald gerichtet.
Die Eichen reihen sich dicht und still,
doch etwas lauert, ungesehen.
Ein Vogel schweigt, der andere flieht,
die Luft wird schwer und dicht.
Die Hand in ihrer zittert leicht,
ein Druck, der Warnung spricht.
Der Pfad, so klar im Morgenlicht,
scheint nun in Nebel eingehüllt.
Die Steine glänzen feucht und kalt,
als ob der Wald den Atem hält.
Ein Schritt, ein Zögern, dann ein Halt,
die Hütte plötzlich weit entfernt.
Ein leises Knirschen, kaum gehört,
doch nah genug, um Herz zu stören.

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